Das Technoseum in Mannheim widmet sich der wechselvollen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, die im Mai ihren 150. Geburtstag feiert. Das Land hat die Schau finanziell unterstützt.

Mannheim - Die Ausstellung beginnt mit einer Druckerpresse von 1835 und den Spitzhacken von Bergarbeitern in einem engen Stollen. Am Ende agiert ein ferngesteuerter Roboterarm in staubfreier Atmosphäre. „Durch Nacht zum Licht ?“ hat das Mannheimer Technoseum seine Ausstellung zum 150. Geburtstag der deutschen Arbeiterbewegung überschrieben, der im Mai ansteht. Es ist die erste große und wohl bundesweit die einzige zum Thema dieses Jahr. Ihr Titel stammt aus einem alten Bergarbeiterlied. Sein Verfasser Heinrich Kämpchen hatte es 1889 kurz nach seiner Entlassung in die Arbeitslosigkeit geschrieben; gesungen wurde es nach der Melodie eines bekannten Soldatenliedes. Der Arbeiterdichter hatte damals noch ein optimistisches Ausrufezeichen hinter die Zeile gesetzt. Die Ausstellungsmacher sind im Rückblick skeptischer; sie haben sich für ein Fragezeichen entschieden.

 

Die Schau dokumentiert und illustriert Niederlagen und Höhepunkte der deutschen Arbeiterbewegung: die frühen Hungerproteste, die Gründung von Gesellen- und Arbeitervereinen, die Entstehung der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie mit ihren Spaltungen, die „Helden der Arbeit“ in der DDR und die Mitbestimmungsdebatten der Bundesrepublik. Den Schluss bildet die heutige Arbeitswelt mit Callcentern und sozialen Netzwerken.

Der Rundgang durch die Geschichte im Museum zeigt: es war trotz bunter Fahnen, trotz flammender Aufrufe, erfolgreicher Massenstreiks, trotz eines zeitweise hohen Organisationsgrades der Arbeiterschaft, trotz tüchtiger Konsum- und Selbsthilfevereine ein nie endender Kampf. Siege waren längst nicht immer von Dauer. „Krisen gibt es immer wieder, die Arbeiterbewegung ist eine Baustelle, die nie fertig wird“, sagte Kurator Horst Steffen zur Eröffnung.

Baugerüste symbolisieren die Krisen der Bewegung

Deshalb ist die Schau auch in Baugerüsten inszeniert. Den Anfang der Bewegung markiert in Deutschland die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitsvereins durch Ferdinand Lassalle und zehn Delegierte am 23. Mai 1863 in Leipzig. Er war die erste deutsche Arbeiterpartei. Die „Mitgliedschaft Stuttgart“ war von Anfang an dabei, wie ihre rote Fahne in der Mannheimer Ausstellung bezeugt. 1869 folgte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei mit August Bebel und Wilhelm Liebknecht. 1875 fusionieren beide Gruppen. Eine halbe Million Stimmen erreicht die neue Partei 1877 bei den Reichstagswahlen.

Postwendend folgt die erste Niederlage. Mit dem Sozialistengesetz 1878 soll das „rote Gespenst“ gebannt werden. Sozialdemokratische Vereine, Versammlungen und Schriften werden verboten, tausende Mitglieder emigrieren, werden ausgewiesen oder inhaftiert. Etliche Jahrzehnte früher waren es vor allem die Handwerksgesellen, die die Vorhut bildeten, als sie sich – in Zeiten von Hungerkrisen und dem Übergang von der Hand- zur Maschinenarbeit – neu organisierten. Nicht selten wurden sie deshalb, wie ihren Wanderbüchern zu entnehmen ist, ausdrücklich aufgefordert, sich von Nachbarländern fernzuhalten, in denen die Bewegung schon weiter war. In deren Verlauf ging es beileibe nicht nur um Politik und Protest. Noch vor dem allgemeinen Arbeiterverein gründeten Gesellen Hunderte von Bildungsvereinen und Bibliotheken. Die boten, wie in einer Rekonstruktion mit alten Bänden von Mannheimer und Stuttgarter Vereinen sehr schön zu sehen ist, einen breite Palette: vom einfachen Lehrbuch zum Schreiben oder Rechnen über „Schillers Leben“, Reiseberichte aus fernen Ländern, bis zu juristischen, ökonomischen und politischen Betrachtungen.

Es gibt viel zu sehen: Flugblätter, Plakate, Dokumente

Knapp zehn Kapitel widmet die Ausstellung der wechselvollen Geschichte. Es gibt ungeheuer viel zu sehen: Flugblätter, Plakate, Versammlungs- und Streikaufrufe, Zeitungen, Originaldokumente, eine Handschrift von Karl Marx. Dazu einige originelle Schaustücke wichtiger Repräsentanten der Bewegung; etwa den Gehrock von Karl Liebknecht, einen Kleiderbügel aus Lenins Hotelzimmer bei einem Geheimtreffen in der Schweiz oder einen von August Bebel gefertigten Türgriff. Auch die Ausgehuniform des DDR-Helden der Arbeit, Adolf Hennecke, den Kollegen eher für einen Knecht der Ausbeutung hielten, hat den Weg nach Mannheim gefunden.

500 Exponate präsentieren die Macher. Wer alle studieren möchte, muss öfter kommen. Aber auch der einmalige Rundgang ist lehrreich und – trotz der gefürchteten „Flachware“, wie Museumsleute Schriftdokumente gern etwas despektierlich nennen – alles andere als langweilig.

Details zur Ausstellung

Die Arbeiter und die Arbeiterbewegung waren bis Ende des 19. Jahrhunderts unterdrückt und ausgegrenzt. Im Kaiserreich erlangte die Bewegung zunehmende Bedeutung und erreichte ihre erste Blütezeit in den 1920er Jahren. Diese endete – auch infolge der Weltwirtschaftskrise – in ideologischer Zerrissenheit, Spaltungen und einer Schwächung durch den Nationalsozialismus.

Arbeiter und später auch Arbeiterinnen organisierten sich nicht nur in Parteien und Gewerkschaften, sondern auch in Genossenschaften, in Bildungs- und Konsumvereinen, im Arbeiter-Samariter-Bund, der Arbeiterwohlfahrt oder Buchverlagen.

Die Schau in Mannheim läuft in der Reihe der Großen Landesausstellungen, sie wurde wesentlich vom Land mitfinanziert und dauert bis zum 25. August. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm und Unterrichtsmaterialien für Lehrer und Schüler. Der Katalog hat 450 Seiten und kostet 20 Euro. Vom 25. Oktober an ist die Schau im Sächsischen Industriemuseum Chemnitz zu sehen.