Telefonate mit Kunden ohne deren Erlaubnis mitzuschneiden – das fand die EnBW erst völlig in Ordnung; sie würden ja gleich wieder gelöscht. Nach StZ-Recherchen hat der Konzern die fragwürdige Praxis nun aber abrupt gestoppt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Beim Energiekonzern EnBW sind möglicherweise in großem Umfang Vorgaben des Datenschutzes missachtet worden. Telefonate mit Kunden wurden systematisch auch dann aufgenommen, wenn die Gesprächspartner dem ausdrücklich widersprochen hatten. Entsprechende Recherchen der StZ bestätigte das Unternehmen auf Anfrage. Die Aufnahmen seien in diesen Fällen jedoch unmittelbar nach dem Ende des Gesprächs automatisch gelöscht worden; damit habe keine Speicherung stattgefunden.

 

Die EnBW hatte die Praxis der „Qualitätsüberwachung“ zunächst nachdrücklich verteidigt. Gespräche mit Kunden würden alleine dazu aufgenommen und ausgewertet, um den Service ständig zu verbessern. Jede Woche geschehe dies in bestimmten Zeitfenstern über insgesamt neun Stunden. Im März seien so 13 Prozent aller Telefonate mitgeschnitten worden, von denen drei Prozent als Stichproben überprüft wurden. Das Vorgehen entspreche dem Datenschutz, der für EnBW einen „hohen Stellenwert“ habe, und sei von dem Beauftragten des Konzerns abgesegnet worden, hieß es; zudem regele eine Betriebsvereinbarung den Umgang mit dem System.

Abrupter Sinneswandel vor Aktionärstreffen

Kurz vor der Hauptversammlung an diesem Mittwoch korrigierte die EnBW überraschend ihre Position. Auf eine erneute StZ-Anfrage hin teilte sie mit, man habe das System „einer intensiven Prüfung unterzogen“. Als Ergebnis sei entschieden worden, den Einsatz „ab sofort und bis auf Weiteres zu stoppen“; erst müsse abschließend geklärt sein, dass „alle Anforderungen des Datenschutzes ohne jede Einschränkung“ erfüllt würden. Dazu habe man den unabhängigen Datenschutzbeauftragten des Landes „um eine Bewertung der aktuellen Praxis gebeten“. Die Gründe für den Sinneswandel ließ der Konzern zunächst offen. Womöglich hat dieser damit zu tun, dass bei dem Aktionärstreffen kritische Fragen zu der Praxis erwartet werden.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil sagte der StZ, er sehe Aufklärungsbedarf; der Vorgang bedürfe einer „vertieften Prüfung“. Klingbeil war über die Bundesnetzagentur in Bonn informiert worden, bei der bereits vor Wochen Hinweise auf Datenschutzverstöße bei der EnBW eingegangen waren. Erst nach einer StZ-Anfrage leitete die nach eigenem Bekunden nicht zuständige Behörde diese Hinweise nach Stuttgart weiter.

Firma auch für Geheimdienste tätig

Bei der von der EnBW eingesetzten Technik handelt es sich um eine Software der weltweit tätigen US-Firma Verint, der eine Nähe zu Geheimdiensten nachgesagt wird; auch die amerikanische NSA soll Kunde sein. Im vorigen Jahr war die Verwendung eines vergleichbaren Verint-Systems beim Energiekonzern RWE auf scharfe Kritik gestoßen. Datenschützer hatten das Unternehmen mit einem „Big-Brother-Award“ bedacht, weil es seine Mitarbeiter mit Agentenmethoden überwache.