Handytelefonate im Ausland werden billiger, die EU-Staaten lehnen aber das Aus für die Roaming-Gebühren vorerst ab. Ein Konflikt mit dem EU-Parlament droht auch bei der Netzneutralität.

Brüssel - Schon im Sommer 2014 sollten Urlauber im europäischen Ausland keine teuren Extragebühren für mobiles Telefonieren und Surfen bezahlen. So lautete das Versprechen der ehemaligen EU-Kommissarin Neelie Kroes, die im Herbst 2013 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hatte. Seit einem Beschluss der Brüsseler EU-Botschafter vom Mittwoch ist klar, dass auch in diesen Ferien Kosten für das sogenannte Roaming anfallen werden. Und wenn die europäischen Regierungen in den nun anstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament ihren Willen durchsetzen sollten, käme das Aus für die Gebühren sogar nicht einmal vor 2019.

 

Im Gegensatz zu den Europaparlamentariern, die sich unmittelbar vor der Europawahl im vergangenen Jahr für eine komplette Abschaffung ausgesprochen hatten, gab es in den 28 Hauptstädten viele Bedenken dagegen. Nicht zuletzt weil der europäische Dachverband der Telekom-Regulierungsbehörden (Berec) erst im Dezember große Probleme für die Mobilfunkunternehmen vorhergesagt hatte.

Rund fünf Milliarden Euro jährlich verdienen sie europaweit an den Roaminggebühren – mit großen regionalen Unterschieden. „Besonders in den Haupturlaubsländern im Süden Europas machen sie einen großen Anteil am Gewinn aus, der für die Modernisierung des Netzes benötigt wird“, lautete die Erklärung eines EU-Diplomaten dafür, dass bis auf Spanien vor allem die südeuropäischen Länder in der Sitzung ein schnelles Aus der Roaminggebühren abgelehnt hätten. Zwar gibt es schon jetzt Ausgleichszahlungen zwischen den jeweiligen Anbietern, der Gesetzentwurf sah aber keine Anpassung vor.

Es gibt eine Freigrenze – die ist „verschwindend klein“

Der Kompromiss zwischen den Regierungen sieht nun vor, dass bis Mitte 2018 ein Übergangsregime mit günstigeren Zusatzgebühren und einer sehr geringen Menge an Freiminuten greifen soll. Noch gibt es keine konkreten Zahlen dazu, die beschlossen worden wären. Einem noch unverbindlichen Papier der lettischen EU-Ratspräsidentschaft ist jedoch zu entnehmen, dass eine Auslandsminute am Handy nicht mehr 19 Cent, sondern nur noch fünf Cent zusätzlich kosten könnte. Die Extragebühr für eine SMS dürfte demnach nicht mehr sechs, sondern höchstens zwei Cent betragen. Pro Megabyte auf das Smartphone heruntergeladener Daten würden maximal fünf statt bisher 20 Cent fällig. Darüber hinaus planen die Regierungen eine Freigrenze, die allerdings „verschwindend klein“ ist, wie ein EU-Diplomat einräumte. Ihm zufolge wurde vereinbart, dass an sieben nicht zusammenhängenden Tagen im Jahr jeweils fünf Minuten, fünf Megabyte und fünf SMS-Textnachrichten kostenlos sein sollen.

Nachdem sich sein Kommissarskollege Andrus Ansip noch am Montag „besorgt“ darüber gezeigt hatte, dass wir „am Ende nicht genug Ehrgeiz“ entwickeln, begrüßte EU-Digitalkommissar Günther Oettinger am Mittwoch die Einigung. „Ich bin froh, dass das politische Momentum, das bei unserem Abendessen mit den Telekom-Ministern kreiert wurde, den Weg für diesen Kompromiss geebnet hat.“ Nun sei es wichtig, dass sich der Ministerrat schnell mit dem Parlament auf den endgültigen Gesetzestext verständige. „Dann“, so Oettinger, „können wir mit dem digitalen Binnenmarkt voranschreiten.“

Das Gesetzespaket, in dem es neben den Roaminggebühren auch um die sogenannte Netzneutralität und die Frequenzen für die mobile Internetnutzung geht, gilt als wichtige Vorstufe für eines der zentralen Projekte der neuen EU-Kommission. Unter anderem zusammen mit einheitlichen neuen Regeln für den Datenschutz und das Urheberrecht sowie verstärkte Investitionen in Breitbandverbindungen soll in den nächsten Jahren ein grenzüberschreitender digitaler Markt ohne Hindernisse entstehen. Besonders Liberale und Sozialdemokraten im Europaparlament geißelten den Beschluss hart. „Die einzigen Gewinner dieser Entscheidung sind die nationalen Telekomunternehmen“, sagte der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt. Der belgische Sozialist Marc Tarabella nannte das Datum 2018 „inakzeptabel“, da das Parlament das Roaming-Aus noch in diesem Jahr fordere. Aus der Bundesregierung kommen jedoch Signale, dass auch sie eine Annäherung an die Position des Parlaments „gar nicht so schlecht“ fände, wie ein EU-Diplomat der Stuttgarter Zeitung sagte.

Weit auseinander liegen die Positionen auch noch bei der Netzneutralität. Während das Europaparlament keine Ausnahmen zulassen will, wenn es darum geht, dass allen Nutzern im Internet dieselbe Übertragungsgeschwindigkeit zusteht, wollen die Regierungen Spezialdienste ausnehmen. „Das Problem ist, dass diese Spezialdienste bisher nicht definiert sind“, sagte ein belgischer Regierungsvertreter. Netzaktivisten und Parlamentarier befürchten nun, dass dies das Einfallstor für ein Zwei-Klassen-Internet werden könnte. Die niederländische Liberale Marietje Schaake nannte den Regierungsbeschluss „extrem enttäuschend und nahe an einer Beleidigung“, weil er zu „einem kommerziellen Verhalten führen kann, das gegen die Interessen der Verbraucher, gegen kreative Start-up-Unternehmen und einen fairen Wettbewerb geht“.