Deutschland wartet auf einen neuen Topspieler im Tennis: Könnten Cedrik-Marcel Stebe oder Robin Kern vielleicht mal einer werden?

Stuttgart - Mittlerweile schaut Cedrik-Marcel Stebe anders auf die Turnierauslosungen, auch auf die des Stuttgarter Mercedescups. Sein Gegner am Dienstag in der ersten Runde heißt Nikolai Dawidenko. Der Russe hat 2009 das ATP-Finalturnier der besten acht Spieler gewonnen und war Dritter der Weltrangliste. Doch wenn Stebe den Namen liest, erstarrt er nicht mehr in Ehrfurcht. Im Gegenteil.

 

"Dawidenko steht gegen mich unter Druck, er hat in diesem Jahr noch nicht so oft gewonnen - ich bin im Vorteil", sagt der 20-Jährige aus Vaihingen/Enz. Und: "Wenn einer Selbstvertrauen hat, dann ich." Stebe sagt das ganz ruhig, ohne dabei großspurig zu klingen. Und er hat in der ersten Hälfte dieses Jahres ja auch einiges erreicht. In Wimbledon ist er vor zwei Wochen zum ersten Mal in seiner Karriere nach der Qualifikation in das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers eingezogen und schied dort knapp in der ersten Runde gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow aus. Zuvor hatte er in Halle Philipp Kohlschreiber lange Paroli geboten und erst nach drei Sätzen mit 4:6, 6:3, 1:6 verloren.

Wildcards für die jungen Spieler

In der Weltrangliste ist Stebe um mehr als 200 Plätze nach oben geklettert. Zurzeit steht er auf Position 197. "Aber bis zum Jahresende habe ich keine Punkte mehr zu verteidigen", betont er. "Ich bin also der, der jetzt kommt." Dieses Selbstbewusstsein, das sich Stebe erarbeitet hat, ist auch ein Grund gewesen, warum ihm der Turnierdirektor Edwin Weindorfer eine Wildcard für das Weissenhofturnier gegeben hat. "Wir brauchen einfach junge deutsche Gesichter", sagt der Österreicher. Deshalb verteilt er die Wildcards lieber an aufstrebende Spieler als an Endzwanziger, die sich im Herbst ihrer Karriere befinden.

Neben Stebe erhielt auch der 17-jährige Robin Kern eine Wildcard. Der Oberasbacher erreichte zuletzt bei den Junioren-Grand-Slams in Wimbledon und Paris das Viertelfinale. Außerdem gewann er am Wochenende das internationale Jugendturnier in Berlin. "Das Ziel der Turnierveranstalter in Deutschland muss sein, einen neuen starken Spieler aufzubauen", betont Weindorfer. Dass Stebe und Kern die Hauptkandidaten dafür sind, davon ist auch der Daviscup-Teamchef Patrik Kühnen überzeugt: "Beide haben sich stark verbessert. Beiden traue ich zu, den Weg nach oben weiterzugehen."

Dem deutschen Tennis fehlt die Jugend

Über fehlende Nachwuchsspieler in Deutschland ist auch am vergangenen Wochenende viel geredet worden. Der frühere Profi Nicolas Kiefer prangerte am Rande des Daviscup-Viertelfinals zwischen Deutschland und Frankreich an, die Jugend sei zu verwöhnt. "Nach der Generation um Mayer, Petzschner und Kohlschreiber kommt ein großes Loch", stellte der 34-Jährige fest.

Diese Einschätzung empfindet Stebe allerdings nicht als Druck. "Ich sehe das als Ansporn an", sagt er. "Ich will allen zeigen, dass ich dieser Nachfolger sein kann." Um dies zu erreichen, hat er genau das getan, was Kiefer bei jungen Spielern vermisst. Er hat sich gequält, hat verzichtet und alles dem Tennis untergeordnet. Die Schule beendete Stebe, der in seiner Freizeit gerne Schlagzeug spielt ("Das ist gut für die Kreativität"), nach der mittleren Reife. Danach hatte er noch ein Jahr einen Privatlehrer, aber mit all seinen Erfolgen im Jugendbereich konzentrierte er sich 2008 allein auf den Sport. Als Fünfter der Juniorenweltrangliste wagte er den Schritt zu den Profis und startete dort auf Platz 964, seine beste Position erreichte er bisher als 182. in der vergangenen Woche.

"Er hat mich unterschätzt, das geht vielen so"

Das ist insofern beachtlich, da Stebe auf seinem Weg nach oben auch schon einen großen Rückschlag hinnehmen musste. Im Oktober des vergangenen Jahres erlitt er eine Rückenverletzung und konnte vier Monate lang nicht spielen. Als er dann wieder zurückkehrte, agierte der Linkshänder gleich noch stärker als zuvor. Er gewann zwei Future-Turniere in der Türkei und zog dann im japanischen Kyoto in das Finale ein. "Zu der Zeit habe ich mein bisher bestes Tennis gespielt. Da hat vieles gestimmt." Zu Stebes Stärken gehört besonders seine beidhändige Rückhand: "Mit der Waffe habe ich zuletzt schon viele meiner Gegner zur Verzweiflung gebracht."

Gestern im Training verzweifelte daran auch der Spanier Juan Carlos Ferrero, immerhin French-Open-Sieger von 2003. "Er hat mich vielleicht unterschätzt, das geht vielen so", sagt Stebe. Denn neben der harten und platzierten Rückhand ist er auch gut auf den Beinen und überzeugt mit einer variablen Vorhand: "Ich habe aber noch überall Luft nach oben." Das will er in den nächsten Monaten zeigen. Sein Ziel zum Jahresende sind die Top 100. Danach soll es natürlich noch weiter nach oben gehen.