Die beiden Stuttgarter Terrorverdächtigen sind an der Universität Stuttgart eingeschrieben. Gegen die beiden Männer wurde nach Angaben der Uni bereits seit Mai 2012 ermittelt. Ein ferngesteuertes Flugzeug zur Terrorwaffe zu machen, ist jedoch kein Geheimwissen.

Stuttgart - In Fellbach ist am Dienstagmorgen ein Mann in Handschellen abgeführt worden - wegen Terrorverdachts. Er und ein weiterer Terror-Verdächtiger sind an der Universität Stuttgart eingeschrieben. Das sagte ein Sprecher am Dienstag zur Stuttgarter Zeitung.

 

Eine offizielle Festnahme habe es nicht gegeben, betonte die Bundesanwaltschaft. Offenbar kam der Mann nach einer Befragung wieder frei.

Der SWR hatte berichtet, dass die Verdächtigen während ihres Studiums Praktika und Übungen gemacht haben sollen, deren Inhalte leicht missbraucht werden können. So sollen Methoden entwickelt worden sein, Modellfluggeräte mittels GPS bestimmte Routen fliegen zu lassen. "Die Studenten lernen bei uns, so etwas zu konstruieren, zu bauen und zu steuern. Wer kriminelle Energie hat, kann sich die Teile überall kaufen", sagte der Sprecher.

Keine erhöhte Terrorgefahr

Gegen die beiden Verdächtigen tunesischer Herkunft werde unter anderem wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ ermittelt, teilte die Bundesanwaltschaft am Dienstag in Karlsruhe mit. Nach Angaben der Uni begannen die Ermittlungen bereits im Mai 2012, nachdem die Verdächtigen durch ein gesteigertes Interesse an Sprengstoff und Modellflugzeugen aufgefallen waren. Die Pläne waren demzufolge noch in einem frühen Stadium. Das ergebe sich auch aus der Tatsache, dass niemand festgenommen wurde. Eine erhöhte Terrorgefahr bestehe in Deutschland derzeit nicht, hieß es weiter.

Die Mitarbeiter der Universität Stuttgart mussten auf Grundlage des Telekommunikationsgesetzes und der Strafprozessordnung auch digitale Informationen wie Login-Daten an die Behörden übermitteln. Nach dem Vorfall werden an der Universität keine erhöhten Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, dazu sehe man keinen Anlass.

Auch Bastler können ferngesteuerte Flugzeuge bauen

An der Uni Stuttgart gibt es ein Seminar, in dem Studenten mit einem ferngesteuerten Flugzeug arbeiten. Dieses Seminar ist jedoch freiwillig und es nehmen nach Auskunft von Uni-Mitarbeitern jeweils nur wenige Studierende daran teil. Im vergangenen Jahr sei das Seminar mangels ausreichend vieler Teilnehmer sogar ausgefallen.

In dem entsprechenden Seminar würde kein fernsteuerbares Flugzeug gebaut, sagte eine Uni-Mitarbeiterin der StZ. Vielmehr würde an einigen Uni-eigenen Flugzeugen geforscht. Der "Stuttgarter Adler" werde zu rein wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt, so die Mitarbeiterin weiter. Potenzielle Terroristen könnten an der Funktion interessiert sein, die Flugroute mit satellitengestützten Positionsdaten (GPS) festzulegen. Dies sei unter anderem mit der Software "Paparazzi" möglich. "Aber das ist Open Source, das kann im Prinzip jeder Modellbauer", sagte die Uni-Mitarbeiterin. "Ich habe da auch nicht daran gedacht, dass man das für Terror-Aktionen nutzen könnte", so die Mitarbeiterin.

Von den Uni-Mitarbeitern, die für ein Gespräch erreichbar waren, kannte keiner die am Dienstagmorgen abgeführten Studierenden. In einer Stellungnahme hat der Verein der tunesischen Akademiker in Stuttgart erklärt, dass einer der beiden Männer Mitglied in dem Verein "ist bzw. war". Der Verein erklärte seine "grundsätzliche Haltung gegen Terror und Gewalt in aller Deutlichkeit und ohne jegliche Ausnahme".

90 Polizeibeamte beteiligt

Die Bundesanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Stuttgart haben seit den frühen Morgenstunden in einer gemeinsamen Aktion insgesamt neun Objekte im Großraum Stuttgart, im Großraum München, in Sachsen sowie in Belgien durchsucht. SEK-Beamte haben Wohnungen gestürmt, weil mehrere Männer verdächtigt wurden, terroristische Anschläge vorbereitet zu haben. Bei den Durchsuchungsaktionen im Großraum Stuttgart und in Belgien stehen zwei Männer tunesischer Herkunft im Fokus, die verdächtig sind, sich gezielt Informationen und Gegenstände beschafft zu haben, um damit Sprengstoffanschläge mit ferngesteuerten Modellflugzeugen durchführen zu können.

Die Durchsuchungen in Sachsen und Belgien überschneiden sich mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart: Hier geht es um Geldwäsche und die Finanzierung des militanten Dschihad; beschuldigt sind fünf Personen. Sie kennen die beiden tunesischstämmigen Männer.



Durchsuchung wegen Terror-Finanzierung

Auf die Spur gekommen seien die Ermittler den Männern wegen auffälliger Geldüberweisungen. Neben der Geldwäsche kam dabei der Verdacht auf, dass sie die Summen zur Vorbereitung von Anschlägen einsetzen wollten. Sie sollen Anschläge mit Modellflugzeugen geplant haben.

Über mögliche Anschlagsziele gibt es noch keine Informationen. An dem Einsatz waren nach Angaben der Bundesanwaltschaft insgesamt etwa 90 Polizeibeamte aus Baden-Württemberg und Bayern beteiligt.

Hintergrund: Anschläge mit Modellflugzeugen

Einen Sprengstoffanschlag per Modellflugzeug soll in den 70er Jahren angeblich schon die Rote Armee Fraktion (RAF) auf Franz Josef Strauß geplant haben. Das berichteten die Kinder des damaligen CSU-Vorsitzenden, Monika Hohlmeier und Franz Georg Strauß, im September 2008. Andere Fälle der jüngeren Vergangenheit:

November 2012: Ein 27-jähriger US-Amerikaner muss 17 Jahre ins Gefängnis - der Islamist wollte in Washington Modellflugzeuge mit Sprengstoff bestücken und ins Pentagon sowie ins Capitol steuern. Dann wollte er auf die fliehenden Menschen schießen. Das FBI konnte die geplanten Anschläge vereiteln.
August 2012: Drei mutmaßliche Al-Kaida-Terroristen aus der Türkei und Tschetschenien werden in Spanien festgenommen. Laut Polizei wollten sie vermutlich in der Hafenstadt Algeciras einen Sprengsatz von einem Modellflugzeug auf ein Einkaufszentrum abwerfen. In einem sichergestellten Video war ein entsprechender Test zu sehen.
Juni 2003: Im Irak werden fünf dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehende Männer festgenommen. Wie britische Zeitungen berichten, wurden dabei Modellhubschrauber sichergestellt, die nach Angaben irakischer Behörden zum Transport chemischer Waffen gedacht waren.
Februar 2003: Bei einer Explosion in Gaza-Stadt kommen sechs Mitglieder der radikalislamischen Hamas ums Leben. In einem Flugblatt der Hamas hieß es, die Männer hätten ein ferngesteuertes Modellflugzeug gebaut, um Ziele in Israel anzugreifen. Palästinensische Sicherheitskreise vermuteten, die dafür vorgesehene Bombe sei vorzeitig explodiert.