Eine Mehrheit der EU-Staaten will Passagiere auch innerhalb Europas durchleuchten. Die Daten sollen mehrere Jahre gespeichert werden.  

Brüssel - Zur Terrorismusbekämpfung sollen auf Drängen Großbritanniens in Zukunft noch mehr Fluggastdaten gespeichert und ausgewertet werden. Im Vorfeld des EU-Innenministertreffens kommende Woche zeichnet sich ab, dass ein Änderungsvorschlag der Regierung in London mehrheitsfähig ist, wonach auch die Daten von Passagieren auf innereuropäischen Flügen gesammelt werden sollen. "Die Briten", bestätigt ein deutscher EU-Diplomat der Stuttgarter Zeitung, "stehen mit diesem Wunsch nicht allein." Ein EU-Diplomat eines anderen großen Mitgliedstaates wird deutlicher: "Eine klare Mehrheit der Mitgliedstaaten hat ihre Unterstützung für das Sammeln von Daten auf innereuropäischen Flügen signalisiert." So geht es auch aus internen Dokumenten des Ministerrats hervor, die der StZ vorliegen.

 

Bislang leiten europäische Airlines entsprechende Auskünfte über Passagiere auf Transatlantikflügen an die US-Sicherheitsbehörden weiter. Um selbst Herr des Verfahrens zu werden und mehr Sicherheit auch in Europa zu schaffen, hatte die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström im Februar einen Gesetzesvorschlag für ein eigenes EU-Passagierdatensammelsystem unterbreitet. Obwohl der "nur" Passagiere internationaler Flüge im Visier hatte, war daran bereits vernichtende Kritik geübt worden - unter anderem des europäischen Datenschutzbeauftragten (siehe Kasten).

"Rasterfahndung und Vorratsdatenspeicherung"

Geplant ist, dass die Datensätze 30 Tage lang uneingeschränkt zur Verfügung stehen und auf bestimmte Merkmale hin untersucht werden. Danach würden sie fünf Jahre anonymisiert gespeichert, wobei die Sicherheitsbehörden auf Anfrage erneut Zugriff bekämen. Der grüne Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht spricht deshalb von "Rasterfahndung und Vorratsdatenspeicherung" - zwei Praktiken, die das Bundesverfassungsgericht zumindest in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat.

Nur fünf von 27 EU-Staaten haben sich in den Brüsseler Beratungen dagegen gewandt, den ohnehin umstrittenen Plan noch auszuweiten. An der Seite der Bundesregierung, die dem deutschen Diplomaten zufolge bei dem Thema "von der Tendenz her zur Vorsicht" rät, stehen nur Slowenien, Luxemburg und Malta. Deren Bedenken, dass eine noch ausgedehntere Datensammelaktion "möglicherweise nicht mit dem Schengener Grenzkodex und der Freizügigkeit vereinbar ist", wie es im internen Ratsdokument heißt, kontert die ungarische Ratspräsidentschaft: "Der Vorsitz ist der Ansicht, dass eine mit ausreichenden Schutzbestimmungen versehene Einbeziehung gezielter Flüge innerhalb der EU... erreicht werden kann." Italien will gar noch darüber hinausgehen und die Daten auch von Bahn- und Schiffsreisenden nach dieser Methode speichern und auswerten.

Der Grüne Albrecht rechnet mit einem klaren Nein im Europaparlament, das den Plänen zustimmen muss. Der nordrhein-westfälische CDU-Europaabgeordnete Axel Voss zeigt sich "erstaunt darüber, dass es nun noch einmal einen Schritt über die ursprünglichen Pläne hinausgehen soll". Seine Fraktion müsse "erst noch von der Notwendigkeit überzeugt werden."

Kritik an den Überwachsungsplänen der EU

Zahlen Der Statistikbehörde Eurostat zufolge brechen 36 Prozent der Flugreisenden in ein Land außerhalb der EU auf. Nun könnten auch die 42 Prozent der Fluggäste, die in ein anderes EU-Land fliegen und die 22 Prozent, die einen Inlandsflug gebucht haben, ins Visier der Fahnder geraten.

Datenschutz Der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx sieht schon bei der Erfassung internationaler Flüge „Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit nicht erfüllt“. Er zweifelt die Rechtsbasis an, da „die Bewertung der Passagiere nach sich ständig neuen und intransparenten Kriterien erfolgt“ und das, „bevor ein Verbrechen verübt wurde“.

Airlines Eine Lufthansa-Vertretrin bezifferte kürzlich die monatlichen Mehrkosten für ihr Unternehmen mit 153.000 Euro – selbst wenn nur die Daten internationaler Passagiere erfasst würden.