Innenminister Reinhold Gall (SPD) erkennt im Südwesten kein Unterstützer-Netzwerk für das NSU-Trio. Ein Bericht seines Hauses für den Landtag macht aber deutlich: Der NSU operierte nicht im luftleeren Raum. Es gab zahlreiche Kontakte nach Baden-Württemberg.

Stuttgart - In den vergangenen Monaten ist im Zusammenhang mit der rechten Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) immer wieder die Frage nach einem Unterstützerkreis in Baden-Württemberg gestellt worden. Kontakte von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos sowie Beate Zschäpe in den Südwesten, insbesondere nach Ludwigsburg, ließen auf einen besonderen Bezug des Trios zum Land schließen. So enthält die 1998 nach dessen Abtauchen gefundene Telefonliste von Mundlos vier Personen, die zumindest zeitweise im Südwesten lebten. Seit Ende Januar sucht die Ermittlungsgruppe „Umfeld“ des Landeskriminalamts mit derzeit 14 Ermittlern nach Unterstützerstrukturen.

 

Grüne: Vorerst kein Untersuchungsausschuss

Nun teilt Innenminister Reinhold Gall (SPD) in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion mit: Derzeit lasse sich kein Nachweis für ein Netzwerk erbringen, welches das NSU-Trio in Baden-Württemberg während der Jahre im Untergrund von 1998 bis 2011 unterstützt habe. Weder hätten bisher unbekannte Mittäter aus dem Land identifiziert werden können, noch sei es der Polizei gelungen, weitere Straftaten dem NSU-Trio zuzuordnen. Was den Polizistenmord in Heilbronn angeht, so heißt es in Galls Bericht, gebe es keinerlei Hinweise auf eine Beziehungstat oder ein wie auch immer geartetes persönliches „Kennverhältnis“ zu den NSU-Mitgliedern. Über Kontakte der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter in die rechtsextreme Szene Thüringens war vielfach spekuliert worden. Laut Innenministerium ergaben sich auch keine Anhaltspunkte, die auf die Beteiligung weiterer, bisher unbekannter Täter an dem Heilbronner Anschlag hindeuteten.

Der Grünen-Abgeordneten Alexander Salomon sieht nach der Lektüre von Galls Bericht vorerst keinen Bedarf für einen NSU-Untersuchungsausschuss im Land. Das Innenministerium habe detailliert Auskunft erteilt. „Da müsste noch was kommen, wenn ein Untersuchungsausschuss installiert werden soll“, sagte er. „Aber die Option bleibt offen.“

Salomon nennt es wichtig, dass Gall mit seinem Bericht Transparenz geschaffen habe. Dabei werde immerhin deutlich: „Viele, die mit dem NSU zu tun hatten, waren hier ansässig und haben hier ihr Leben geführt.“ Im Südwesten gebe es eine signifikante Häufung solcher Fälle. „Baden-Württemberg hat ein Rechtsextremismus-Problem“, sagt Salomon.

31 Umfeldpersonen mit Bezügen zum Land

Laut Bericht stehen bei der Ausleuchtung des NSU-Umfelds neben dem Trio Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und vier anderen Angeklagten des Münchner NSU-Prozesses sowie neun weiteren Beschuldigten insgesamt 31 Umfeldpersonen mit Bezügen nach Baden-Württemberg im besonderen Fokus. 18 Personen wohnen oder wohnten in Baden-Württemberg.

Partys und Konzerte gelten als Anlässe für die Abstecher des NSU-Trios in den Südwesten. Aufmerken lässt eine Bemerkung im Gall-Bericht zur Skinhead-Band „Race War“, die sich Ende 2000/Anfang 2001 im Ostalbkreis gebildet hatte und bis zur Verurteilung der Bandmitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung 2006 im In- und Ausland aufgetreten war. Im direkten Umfeld des Sängers der Band identifizierte die Polizei eine Person, die von Anfang 2003 bis Anfang 2005 in Baden-Württemberg mit einem Namen gemeldet war, der nach Erkenntnisse der Ermittler einem Tarnnamen von Beate Zschäpe sehr ähnlich sei.

Interessant ist auch der Hinweis, dass das Landesamt für Verfassungsschutz eine Person der so genannten 129er-Liste als Quelle anzuwerben versuchte; dies jedoch erfolglos. Bei der Liste handelte es sich um eine Handreichung der Bundeskriminalamts für den NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin. Dort finden sich Personen im Umfeld des NSU-Trios.

Hintergrundmusik zum Bekennervideo

Bezüge zwischen dem NSU-Trio beziehungsweise dessen Umfeld in den Südwesten lassen sich laut Innenministerium unter anderem an drei Punkten festmachen: Zum einen an der Skinhead-Band „Noie Werte“ aus dem Raum Esslingen. Zwei Lieder wurden in einem nicht veröffentlichen Bekennervideo des NSU als Hintergrundmusik verwendet. Zum anderen an dem wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Ralf Wohlleben, der auf der Internetpräsenz des „Aktionsbüros Rhein-Neckar“ als technischer Administrator geführt war. Außerdem an dem „Ku Klux Klan“-Ableger in Schwäbisch Hall. Mitglied war der – nicht im Land wohnhafte – Thomas R., der auf der Telefonliste von Mundlos aufgeführt ist. R. war als „Corelli“ eine Quelle des Bundesamts für Verfassungsschutz. Insgesamt nennt der Gall-Bericht ein gutes Dutzend Bands und Gruppen, die – teils noch ungesicherte – Bezüge zum NSU und dessen Umfeld aufweisen.