Seit Mitte Dezember fahren nur noch wenige Nachtzüge - unser Autor hat eine Testfahrt gemacht: Braucht es diese Reiseform überhaupt noch?

2014 war für die Deutsche Bahn ein Jahr wichtiger Weichenstellungen. Erst der Beschluss, mit eigenen IC-Bussen ins Fernbusgeschäft einzusteigen, dann die Ansage, sämtliche Autozüge bis 2017 aus dem Verkehr zu ziehen - und jetzt müssen auch noch etliche Nachtzüge aufs Abstellgleis. So hieß es ab Mitte Dezember auf allen Nachtstrecken von München, Hamburg und Berlin nach Paris sowie von und nach Kopenhagen zum letzten Mal „Bitte einsteigen“, einige dieser Verbindungen liegen gar schon seit Anfang November brach. Außerdem endet der Nachtzug von Warschau beziehungsweise Prag neuerdings nicht mehr in Amsterdam, sondern schon in Oberhausen.

 

Europaweit mussten in den vergangenen Jahren bereits die Verbindungen von Paris nach Florenz bzw. nach Rom sowie Zürich-Barcelona dran glauben. Immerhin bleiben die Nachtstrecken zwischen München und Amsterdam, Hamburg, Berlin, Mailand, Venedig und Zürich, das auch von Amsterdam, Prag und Berlin angesteuert wird, bestehen. Aber wie lange noch? Grundsätzlich stellt sich die Frage: Stirbt hier eine Institution, die es hierzulande immerhin seit 1852 gibt, aus? Passt das Konzept womöglich nicht mehr in die heutige Zeit? Wir haben einen Test gemacht.

Nachtzüge sind erheblich günstiger als Flüge

Auf einer Strecke, die auch 2015 noch bedient wird: München-Amsterdam. Hin im Liegewagen, zurück im Schlafwagen. Dass hierbei Unterschiede bestehen, verrät bereits die Tarifstruktur. Wobei der Preis in allen Buchungsklassen eines der Top-Argumente für die City Night Line darstellt. Die einfache Fahrt im Ruhesessel kostet pro Person ab 49 Euro, die im Liegewagenabteil ab 59 und die im Schlafwagenabteil ab 84 Euro. Mit Sparpreisen kommt es noch günstiger. Bei der Testfahrt in den bayrischen Ferien zahlten zwei Erwachsene und zwei Kinder im Vierer-Liegewagenabteil 178 Euro - für den Toptermin am Freitagabend. Mit dem Flieger wäre dies nicht zu machen. Im Gegensatz zum Flugzeug spart man sich neben einer zusätzlichen Übernachtung auch noch die langen Wartezeiten.

Es genügt, zehn Minuten vor Abfahrt am Zug aufzutauchen, denn alle Plätze sind ja reserviert. Gut so, denn in diesem Fall war der Zug richtig voll, von Ladenhüter-Syndrom keine Spur. Immerhin werden pro Jahr 1,5 Millionen Fahrgäste durchs nächtliche Deutschland chauffiert. Das ist nicht gerade wenig, aber dennoch wies die Bahn 2013 „einen Verlust im höheren zweistelligen Millionenbereich aus“, wie Pressesprecherin Susanne Schulz berichtet. Es ist jedoch viel zu wenig, um eine Perspektive für nötige Investitionen in den teils veralteten Fuhrpark zu stecken. Der Testliegewagen könnte jedenfalls auch schon in den Achtzigern durch die Lande geruckelt sein, entsprechend pragmatisch gestaltet sich die Ausstattung der in diesem Fall je zwei übereinanderliegenden Klappliegen, entsprechend unmodern ist das Design. Schade, dass die Fenster nicht geöffnet werden können - etwas Frischluft würde mitunter guttun, wenn Kindersocken und Vesperbox-Inhalte ihr Aroma verströmen.

Und allein der Schließmechanismus der Abteiltüren stellt eine kleine Wissenschaft für sich dar. Klinke, zwei Sicherheitsschlösser und eine Schließkarte. Letztere sollte man beim nächtlichen Toilettengang nicht vergessen, sonst muss man seine Mitreisenden aus dem Schlaf klopfen. Doch jetzt heißt es erst einmal, das Betttuch über die Liege zu spannen und das Kopfkissen zu beziehen. Die Idee mit dem Absacker im Speisewagen muss gestrichen werden - es gibt keinen. Manche Grüppchen in den Waggons mit den Ruhesesseln haben vorsorglich Eigenmittel dabei. Von Ruhe kann daher auch eine Stunde nach der Abfahrt um 22.50 Uhr keine Rede sein. Aber so lernt man die Leute kennen und kommt mit ihnen viel eher ins Gespräch als anderswo. Ein eigenes Waschbecken ist in den Liegewagen nicht vorhanden, auch der Schlafkomfort nur bedingt.

Eine Stunde vor Ankunft kann man sich wecken lassen

Die Liegen sind prinzipiell eher hart, die obere für einen Erwachsenen von 1,85 Meter eigentlich zu kurz. Dafür dringen Rollgeräusche selbst bei hohen Geschwindigkeiten nur gedämpft ins Wageninnere. Das Schönste aber ist der Morgen danach. Wie gewünscht wird man etwa eine Stunde vor Ankunft geweckt. Dann wecken Filterkaffee, Brioches und Kakao die Lebensgeister, während Windmühlen, Kanäle und Backsteinhäuschen am Fenster vorbeiziehen und auf das Reiseland einstimmen. Spürbar wird das erst recht, wenn man aus dem Waggon steigt. Leicht zerknautscht, aber mit dem guten Gefühl, die 800 Kilometer Fahrtstrecke wirklich gespürt zu haben. Auf der Rückfahrt wird eine Klasse drüber ausprobiert. Und tatsächlich, bei den Schlafwagen ist wirklich alles besser: die Waggons neuer, das Interieur moderner, die Gänge mit Teppich.

In den beiden mit Zwischentür verbundenen Abteilen ist zwar nicht besonders viel, aber mehr Platz. Und es gibt eine kleine Sanitäreinheit, bei der Handtücher ordentlich über dem kleinen Waschbecken drapiert sind und Warmwasser auf Knopfdruck fließt. In kleinen versiegelten Bechern steht Mundspülwasser bereit, am Ende des Ganges eine Dusche (im Schlafwagen Deluxe befinden sich Dusche und WC sogar im Abteil). Das letzte Wörtchen in puncto Nachtzüge ist noch nicht gesprochen. Sprecherin Susanne Schulz: „Die Maxime bei allen Überlegungen zur Zukunft des Nachtzugverkehrs lautet: Die Nachtzüge sollen erhalten bleiben. Die Bahn arbeitet an einem Konzept für die Zeit ab Dezember 2015.“