Autonomes Fahren soll die Verkehrsprobleme der Zukunft lösen. In Karlsruhe und Heilbronn wurde zur Erprobung jetzt ein Testfeld ausgewiesen. Doch die Herausforderungen sind komplex.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Karlsruhe/Heilbronn - Die Bremsen eines 40-Tonners heulen auf, Fußgänger trippeln am Straßenrand, eine Rollschuhfahrerin zwängt sich zwischen wartenden Autos hindurch. 45 000 Autos passieren täglich die Kreuzung der Karl-Wüst- mit der Albertistraße im Heilbronner Norden. „Es ist einer unserer am stärksten belasteten Knoten“, sagt der Heilbronner Baubürgermeister Wilfried Hajek (CDU). Dann wechselt die Ampel auf Grün, und der rote Audi A3 E-tron biegt lautlos in Richtung Heilbronner Hafen ab. Es könnte der Beginn eines neuen Mobilitätszeitalters sein.

 

Rund 40 000 Euro kostet der rote Plug-in-Hybrid. Technik für weit mehr als 100 000 Euro haben der Wissenschaftler Raoul Zöllner und seine Mitarbeiter von der Heilbronner Hochschule in das Auto gestopft. Vier Laserscanner sind auf dem Dachgepäckträger installiert, an der Windschutzscheibe unterhalb des Rückspiegels hängt eine Stereokamera für das räumliche Sehen. Außerdem sind eine weitere Kamera, Radar, Ultraschall und GPS verbaut.

Finger weg vom Steuer

Am Steuer sitzt Benjamin Siegl. Noch muss der 28-jährige Hochschulmitarbeiter selbst das Lenkrad betätigen, doch bald wird er die Arme verschränken können. Erst kurz, bevor es kracht, soll er eingreifen – „wie ein Fahrlehrer“, sagt Zöllner. Tatsächlich ist der Audi A3 in seiner autonom fahrenden Version ein blutiger Anfänger. „Er muss lernen“, sagt Zöllner. Die Aufgabe ist komplex. Jederzeit können Bälle auf die Straße fliegen und Kinder hinterher stürzen. Dann müssen Kameras und Sensoren dies erfassen und die Algorithmen das passende Fahrmanöver errechnen.

Um dies unter realen Bedingungen zu testen, haben Forschungseinrichtungen, mehrere Städte und der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) in Karlsruhe und Heilbronn ein Testfeld eingerichtet, das sich über viele Kilometer Straße, mehr als zwei Dutzend Kreuzungen und sogar ein Parkhaus erstreckt. Auch dort wurde mit Technik aufgerüstet. Drei Kameras zeichnen das Geschehen an der Karl-Wüst-Straße auf, ein Schaltschrank mit Rechner wurde installiert. Die Autos bewegen sich als rote Punkte über den Bildschirm. Der Bordcomputer des Testwagens erhält in Echtzeit die gewonnenen Daten und gewinnt so den Außenblick auf die Kreuzung. So soll er noch schneller lernen. „Wir hoffen auf die Situationen, in denen es gerade noch gut geht“, sagt Professor Zöllner.

2,5 Millionen Euro hat das Stuttgarter Verkehrsministerium für das Projekt bereit gestellt. Der dortige Ministerialdirektor, Uwe Lahl, gibt am Mittwoch in Karlsruhe den Startschuss für das Projekt. Im Technischen Rathaus von Heilbronn ist man per Liveschaltung dabei und hegt große Hoffnungen. „Wir erhoffen uns Erkenntnisse für ein intelligentes Verkehrsleitsystem“, sagt der Baubürgermeister Hajek. Staus sollen vermieden werden. Dadurch soll sich auch die Luftqualität in der Stadt verbessern. In Parkhäusern ließen sich bis zu 30 Prozent des Platzes sparen, wenn die Autofahrer ihren Wagen bereits an der Einfahrt verließen und dieser autonom eingeparkt werde.

Wohin führt das autonome Fahren?

Der Stuttgarter Ministerialdirektor ist nicht ganz so optimistisch. „Wir sind uns noch nicht so sicher, wohin uns das autonome Fahren bringen wird“, räumt Lahl ein. „Vielleicht wird es sogar zu noch mehr Verkehr in unseren Städten führen.“ Auf jeden Fall erhofft sich auch das Land Aufschlüsse darüber, wie sich die Mobilität der Zukunft gestalten lässt.

Auch die Städte lassen sich die Beteiligung an dem Projekt einiges kosten. 430 000 Euro stellt Heilbronn zur Verfügung, in Karlsruhe ist es sogar eine Million. Rückflüsse erhoffen sich die Beteiligten durch Anfragen aus der Industrie. Wenn im April alle Elemente eingerichtet sind, sollen auch die großen Autohersteller das Testfeld mit eigenen Fahrzeugen nutzen können. Kleinere Entwickler können auf die beiden vorhandenen Testwagen in Heilbronn und Karlsruhe zurückgreifen.