Die Künstlerin Christine Spiller kreiert aus Seidenstoff Fensterdesignobjekte, damit Vögel nicht mehr gegen Scheiben fliegen. Doch die lichtdurchlässigen bunten Vorhänge haben noch mehr Vorteile.

Esslingen - Blitzblank geputzte Fensterscheiben sind gar nicht gut“, sagt Christine Spiller. „Vögel haben dann extreme Orientierungsprobleme. Sie nehmen die spiegelnden Scheiben nicht als Hindernis war und fliegen dagegen.“ Oft verendeten die Vögel anschließend qualvoll. Die 58-jährige Künstlerin aus Esslingen will dies verhindern und hatte daher die Idee, aus bemaltem Seidenstoff bunte Vorhänge herzustellen. Mittlerweile hat sie rund 30 unterschiedliche Objekte kreiert und arbeitet derzeit an einem Auftrag für ein Schweizer Wellness-Hotel.

 

„Mit Fräulein Meise fing alles an“, erzählt Christine Spiller und lächelt. Sie und ihr Mann haben ein großes Gartengrundstück direkt am Wald bei Oberesslingen. Dort finden viele Tierarten Unterschlupf, denn Christine Spiller legt als langjähriges Mitglied des Naturschutzbundes Esslingen Wert auf Nachhaltigkeit und Vogelschutz. Statt kurz geschnittenem Rasen kreiert sie Totholzecken aus Reisig und Ästen, stellt Nistkästen auf und stapelt Natursteine. Neben Siebenschläfern, Wild, Eidechsen, Igeln und Insekten finden dort besonders viele Vögel einen Unterschlupf. So hausen bei der Tierfreundin im Garten nicht nur sechs verschiedene Arten von Meisen, darunter die Sumpfmeisen, sondern auch Zaunkönige, Kleiber, Käuzchen, Bussarde, Spechte und sogar ein Kuckuck.

In Indien mit Seidenmalerei in Berührung gekommen

Ein Erlebnis hat sich jedoch tief in ihre Erinnerung geprägt. Als sie die Meisen in ihrem Garten einst am Futterhaus beobachtete, entdeckte sie, dass einer der Vögel – sie hat ihn „Fräulein Meise“ genannt – so aufgebracht war, dass er fast gegen die Scheibe des Gartenhauses geflogen wäre. „Das hat mich erschüttert und ich wusste, jetzt muss ich etwas tun.“

Durch ihre vielen Reisen, die sie bereits in jungen Jahren unternommen hatte, unter anderem nach Tibet und Indien, lernte sie die Seidenmalerei kennen. Seide lässt Sonnenlicht durch die transparente Färbung farbig erscheinen, ähnlich wie Buntglas. Zugleich war es ihr wichtig, dass man die Kunst in verschiedenen Lebensbereichen einsetzen kann. Denn daher dienen sie nicht nur dem Vogelschutz, sondern sorgen zugleich für das psychische menschliche Wohl.

Durch eine frühere Zusammenarbeit mit einem Arzt, mit dem sie die Wirkungen von Formen und Farben auf demente Patienten testete, wusste sie, dass sich Farben besonders auf die Stimmung der Menschen auswirken. Von einer Tübinger Ärztin hatte sie außerdem erfahren, dass bei Patienten, die ein rotes transparentes Farbglas betrachteten, der Puls-Atem-Quotient verringert würde. Und so kam Christine Spiller auf die Idee mit dem lichtdurchlässigen bunten Seidenvorhängen.

Die Vorhänge sind lichtecht und allergikergeeignet

Mehr als einen Tag lang arbeitet Christine Spiller an einem Werk. Erst trägt sie die Konturen auf, dann wartet sie bis diese getrocknet sind und malt mit speziellen Seidenfarben und verschiedenen Techniken die Flächen aus. „Das geschieht alles in einem Fluss“, sagt sie. „Es ist für mich auch wie eine Art Meditation.“ Da sie beruflich aus dem grafisch-technischen Bereich komme, und früher unter anderem Automodelle gezeichnet habe, komme ihr nun ihre ruhige Hand zu gute, erzählt die Künstlerin, die vor zwei Jahre ihre textile Malerei bei einer Ausstellung in Esslingen präsentiert hat. Alle ihrer Fensterdesignobjekte sind Unikate. Es gibt sie in verschiedenen Formen und Farben, sie sind hochlichtecht und für Allergiker geeignet. Denn Seide ist schmutz- und staubabweisend, so Spiller. Kunden könnten natürlich ihre Motiv- und Farbwünsche angeben, nur was letztendlich genau dabei herauskomme, das entstehe dann erst in der Aktion beim Malen.

Das Fräulein Meise gibt es übrigens immer noch. Sie ist extrem zutraulich und kommt auch auf die Hand der Vogelfreundin. „Eines Tages, als ich im Garten saß, dachte ich, was habe ich denn auf dem Kopf? Da merkte ich, dass mir Fräulein Meise ein paar Haare ausrupfte, davon flog und in ihrem Nest verbaute. Wenn es weiter nichts ist – die kann ich gerade noch entbehren, dachte ich mir“, sagt Christine Spiller und lacht.