Katrin Zipse hat ein Jugendbuch geschrieben, das auch Erwachsenen gefällt. F ür ihr Romandebüt „Glücksdrachenzeit“ wird sie am Montag mit dem Thaddäus-Troll-Preis geehrt.

Stuttgart - Nicht erst seit „Harry Potter“ erfreuen sich Bücher, die ursprünglich für Jugendliche geschrieben wurden, auch bei Erwachsenen großer Beliebtheit. Dass der mit 10 000 Euro dotierte Thaddäus-Troll-Preis, den seit 1981 so renommierte Autoren wie Rafik Schami, Arnold Stadler oder José F. A. Oliver erhalten haben, dieses Jahr für ein Jugendbuch vergeben wurde, dürfte deshalb nur für Ignoranten ein Ärgernis sein. Der Preis wird vom Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg jährlich an einen Autor aus dem Land verliehen, der am Beginn seiner literarischen Laufbahn steht. Katrin Zipse hat zwar in ihrer Funktion als Hörspielredakteurin beim Südwestrundfunk in Baden-Baden, wo sie seit 1993 arbeitet, schon zahlreiche Arbeiten fürs Radio verfasst; aber „Glücksdrachenzeit“, der jetzt ausgezeichnete Jugendroman, ist ihre erste Buchveröffentlichung. Und da erstaunt die traumwandlerische Sicherheit, mit der sie die Eigengesetzlichkeiten dieses Genres erfasst und mit neuem Leben gefüllt hat.

 

Hier stimmt einfach alles: der Drive der erzählten Geschichte, der genaue Blick auf die auftretenden Figuren, die sensible und doch nie penetrante Einfühlung in ihre Probleme, die Mischung aus Ernst und Humor und nicht zuletzt die Sprache, die mit dem Jargon der heutigen Jugendlichen vertraut ist, ohne sich ihm anzubiedern. Es ist die Generation der „digital natives“, auf die wir in „Glücksdrachenzeit“ stoßen: die Kids kommunizieren per SMS oder schalten den Soundrecorder ein. Aber Katrin Zipse verwendet diese Elemente nicht um ihrer selbst willen, sondern benutzt sie, um die Handlung voranzutreiben und Spannung zu erzeugen.

Abenteuerreise ins Glück

Nellie ist fünfzehn Jahre alt und hat Sommerferien. Doch sie fangen übel an: Mama hat ihre depressive Phase und muss in die Klinik, Papa setzt sich vom Familienstress auf einen Segeltörn in der Ägäis ab, und der geliebte ältere Bruder Kolja hat sich nach Südfrankreich aus dem Staub gemacht. Allein mit dem Hund Jackson im Haus beschließt Nellie, dem Bruder nachzureisen. Als junges Mädchen ohne Begleitung per Anhalter in den Süden zu fahren, ist freilich nicht ungefährlich; aber wie im Märchen sind auf dieser Abenteuerreise in den riskanten Situationen unerwartet freundliche Helfer zur Stelle. Zuerst die spleenige Miss Wedlock, die Nellie und Jackson in ihren Oldtimer einsteigen lässt und mitnimmt, und dann Elias, der süße Junge mit dem Glücksdrachentattoo auf dem Arm, der an einer Raststätte in der Schweiz zu dem Trio stößt. Als das Quartett schließlich Avignon erreicht und Nellie ihren Bruder wiedergefunden hat, entwickelt sich die Road-Novel in einem rasanten Finale noch zum Thriller, in dem die Fünf mit vereinten Kräften einen Drogendealerring zur Strecke bringen.

Katrin Zipse ist mit „Glücksdrachenzeit“ ein Jugendbuch gelungen, das in seiner Verbindung von Abenteuerreise, Bildungsroman, Liebesgeschichte, Thriller und Märchen auf unkonventionelle Weise die verschiedenen Generationen miteinander in Berührung bringt und deshalb neben seinem jungen Zielpublikum auch erwachsene Leser finden wird.

Katrin Zipse: Glücksdrachenzeit.
Roman. Magellan Verlag. 270 Seiten, 16,95 Euro.

Preisverleihung
Katrin Zipse nimmt den Thaddäus-Troll-Preis am Montag, dem 24. November, 19.30 Uhr, in der Stadtbibliothek Stuttgart entgegen.