Im Stuttgarter Club Zwölfzehn haben waren Freitag The Lion and the Wolf und Owls by Nature zu Gast. Ersterer spielte gefühlvolle, ruhige Songs, während es bei Owls by Nature steil nach vorn ging. Überzeugt hat am Ende nicht alles. 

Stuttgart - Ein Abend, zwei Bands und ganz unterschiedliche Musik: The Lion and the Wolf und Owls by Nature haben am Freitagabend im Stuttgarter Club Zwölfzehn gespielt haben. So richtig überzeugen konnte aber nur eine Band.

 

Owls by Nature treten als Hauptact auf. Fünf unscheinbare Männer aus Edmonton, Kanada, die sich jeglichen Hipster-Allüren verweigern. Rauschebart, New Balance-Sneaker oder Tunnel – Fehlanzeige. Stattdessen kommt vor allem Sänger Ian McIntosh seltsamerweise wie die Inkarnation eines All American-Southern Rock-Hauptdarstellers rüber. Seltsam weil wie gesagt die Heimat der Band jenseits der US-Grenze liegt. Der Mann mit dem runden Gesicht und den kurzen dunklen Locken trägt ein weit aufgeknöpftes Cowboy-Hemd, darunter blitzt ein (doch wieder recht hippes) Brust-Tattoo hervor.

Der Southern Rock-Vergleich entspringt aber vor allem aus den Songs der Kanadier. Breit arrangierte, massentaugliche Rock-Songs, die keinem weh tun. Das Publikum verleiten sie an diesem Abend zuerst zum Mitwippen, gegen Ende tanzen eine Menge Leute ausgelassen. Kraftvolle Klänge, keine Frage, aber sie sind poliert und harmlos. Ecken und Kanten: Fehlanzeige. Das macht Owls by Nature am Ende unscheinbar; in der Masse der Bands, die sich in diesem Genre bewegen, können sie kein nachhaltiges eigenes Zeichen setzen. Sie mögen ein Publikum begeistern können, aber das kann auch Miley Cyrus. Man fühlt sich ein wenig wie im Festzelt, denn genau da würden Owls by Nature perfekt hinpassen. Fehlt nur noch das Schunkeln auf den Bierzeltgarnitur-Bänken.

Der beste Song zum Schluss

Gegen Ende spielt die Band den Song, der wirklich gut ist, und den wahrscheinlich jeder als erstes kennenlernt, der über die Kanadier stolpert: „Heartbreaking Ways“. Ja, der ist richtig gut. Das findet auch das Publikum, und im hinteren Bereich des Raumes fangen ein paar Leute im, sagen wir mal, besten Alter, an, begeistert zu tanzen. Eine Art Pogo entsteht. Die Band findet das natürlich toll. Überhaupt, man gibt sich bescheiden, schließlich ist es das erste Mal überhaupt, dass Owls by Nature in Stuttgart spielen. Die Ansagen von Sänger McIntosh beschränken sich ansonsten auf Aussagen wie: „Thanks for clapping. That is really reassuring.“ Ach was. Es ist ein wenig symptomatisch für das, was am Ende vom Auftritt der Kanadier übrig bleibt: nicht viel, keine Message, kein Tiefgang, kein In-den-Bann-gezogen-werden.

Der beste Teil des Abends ist zu diesem Zeitpunkt schon vorbei. Er begann, als der ruhige und ein wenig depressiv wirkende Sänger Tom George alias The Lion and the Wolf mit seiner Takamine-Akustikgitarre die Bühne betrat. Da stand er, ein dünner Typ, mit Rauschebart, hochgekrempelten schwarzen Skinny Jeans, hochgekrempelten T-Shirt-Ärmeln. Er fängt an mit seinem eigenen, düster-schönen Titeltrack „The Lion and the Wolf“, der nichts anderes kann als unter die Haut zu gehen. George hat die Augen am Anfang größtenteils geschlossen, was das Ganze noch gefühlvoller macht, ohne kitschig rüberzukommen.

Begeisterungsfähige Deutsche und Whitney Houston

George ist ein wenig verwundert, als das Publikum nach den letzten Akkorden dieses ersten Songs begeistert applaudiert. „Das würde in London nicht passieren“, sagt er und fügt hinzu: „Deutsche sind wirklich nett und ruhig. In London sagen die Leute: ‚Oh, spiel' Oasis, spiel' Kasabian.’ Nein, ich will Kasabian nicht spielen.“ Bei der Ansage für den nächsten Song hat The Lion and the Wolf die Lacher auf seiner Seite, als er ankündigt, nach der Hälfte des folgenden Songs würde er einen Song von Whitney Houston singen. Und tatsächlich, mittendrin wechselt George auf seine Version von „My Love is Your Love“. 

Was The Lion and the Wolf und Owls By Nature an diesem Abend in Stuttgart unterscheidet, ist, dass Ersterer einfach sympathisch rüberkommt. Er ist bescheiden, und er wirkt nahbar und echt. Er erzählt, dass er in diesem Jahr schon 111 Shows gespielt habe. Anfang des Jahres habe er seinen Job gekündigt – das Publikum applaudiert für soviel Mut und Entschlossenheit spontan. „Das hier macht viel mehr Spaß“, erklärt George und lacht ein eher seltenes Lachen.

George scheint ein Typ zu sein, der viel Mitgefühl besitzt. Das erkennt man auch an den Themen, über die er singt, und an denen er das Publikum teilhaben lässt. Einen Song hat George über ein älteres Ehepaar geschrieben, die Frau ist an Parkinson erkrankt und der Mann muss den Alltag alleine stemmen. „Das muss ziemlich schwierig sein, deshalb habe ich entschieden, darüber einen Song zu schreiben“, erklärt George, und es klingt ganz und gar nicht abgedroschen.

„The Hole That It Leaves“ wiederum handelt von der besten Freundin von Georges Schwester, die gestorben ist. George erklärt, er sei in Kanada gewesen, als es passierte, und habe unbedingt heimfahren wollen – das wollte aber seine Schwester nicht, und so schrieb er auch darüber ein Lied.

Am Ende fragt er das Publikum, ob es okay sei, wenn er seinen letzten Song in ihrer Mitte singt, "wie ein Rockstar". So steht George dann mitten im Raum, um ihn herum hat sich ein Kreis gebildet. The Lion and the Wolf spielt sein wahrscheinlich bekanntestes Lied, „Hands of Applause“, das einer seiner „lautesten“ Songs ist. Es ist – im Vergleich zu den anderen Songs – ungewöhnlich schnell und eingängig, was es zu einem idealen Abschlusssong macht. Man fühlt sich beschwingt und ist dankbar für die kleine Flucht aus dem Alltag.