Sally Grayson alias Black Swift hat mit Musikern aus Deutschland und Amerika ihr erstes Album eingespielt. Ein Stuttgarter Album? Ja, auch das. Vor allem aber eines über die große Erzählung amerikanischer Bluesmusik. Und: ein Gesamtkunstwerk.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Nur Musik zu machen, wäre viel zu langweilig für jemanden wie Sally Grayson. Die Sängerin und Gitarristin aus Michigan ist auch studierte Künstlerin, Lebenskünstlerin, Fundraiserin. Die Grenzen verschwimmen, nicht nur bei Sally Grayson. Musik und alles, was damit zusammenhängt, wird mehr denn je als Gesamtkunstwerk verstanden und auch so dargestellt und vermarktet. Was Leuten wie Sally Grayson alias Black Swift nur nutzen kann.

 

Unter diesem Namen veröffentlicht die US-Amerikanerin am Freitag ihre erste Aufnahme auf Albumlänge. Finanziert wurde "The World Howls" unter anderem per Fundraising; Sally Grayson hat einige ihrer Bilder verkauft, mit denen auch das Artwork des Albums gestaltet wurde. Release-Party ist am Freitagabend im Zwölfzehn ab 20 Uhr.

Das Album, so viel lässt sich sagen, ist ein Ritt durch die US-Musikgeschichte, ein Blues-Kaleidoskop, ein stetiges Auf und Ab, herausragend in seiner Vielschichtigkeit.

Ein Stuttgarter Album? Ja, aber noch mehr

Ja, es ist irgendwie ein Stuttgarter Album. Sally Grayson lebt seit vielen Jahren in der Stadt, hier wurde das Album auch unter Ausnutzung der gesamten Stereobreite abgemischt (nämlich von Johannes Pfitzenmaier, der mit seiner Submarien-Nachfolgeband Swim Bird Fly als Support für die Release-Show gebucht wurde).

Eingespielt und arrangiert wurde "The World Howls" jedoch an Orten in ganz Deutschland und in Amerika, und was soll man sagen: Man hört das diesem Album an. Eine positive Spannung baut sich zwischen den Kontinenten auf, die das Drängende hinter Sally Graysons Songs noch verstärkt.

Das Video zur Vorab-Single "Branches & Sticks" ist schonmal ziemlich amerikanisch:

Man hört da viel Amerikanisches heraus, Folk in allen Facetten, dazu vielstimmige Gospel-Arrangements, Country-Gitarren, sogar instrumentale Post-Punk-Passagen wie in "Branches & Sticks". Mal drückt sich Sally Grayson mit kräftiger Stimme über einen humpelnden Zweiviertel-Takt-Blues wie im Song "Rusty Sounds Go Silent", mal gibt sie mit rauchiger Stimme über klassischem Neunziger-Rock die Courtney Love ("Love's Harsh Winter").

Auch in den ruhigeren Songs ist viel Kraft, viel Brustton und entschiedenes Gitarrenspiel. Man hört verhallte Gitarren-Schichten, pathetische Schlagzeugspuren und Mut zu Dynamik. Ja, in den leisen Momenten lohnt es sich, hinzuhören. Die Boxen sollten aber nicht zu laut aufgedreht werden, denn Gitarren oder Chöre setzen teilweise deutliche Spitzen.

Jenseits der Gitarrenriffs

Im Plattenregal würde man dieses Albumdebüt bei "Alternative" oder "Rock" einordnen - weil Sally Grayson auf dem Album singt wie eine Rocksängerin, und weil die leicht angekratzten Sechziger-Jahre-Gitarren den Sound prägen. Damit würde man dieses Album aber auf Oberflächlichkeiten reduzieren.

Sally Grayson und all die anderen Musiker suchen mit ihrem betont variablen Sound nach Aspekten jenseits der Gitarrenriffs: es geht um die Schichtung der verzerrten Verstärkersounds, einen kühlen Klangteppich unter warmen Westerngitarren, um den Nachhall, wenn ihre Stimme gerade verklingt oder eine Snaredrum ihren Weg in die unendlichen Weiten des Effektgeräts antritt. Auf solche Details muss man achten, auch wenn der Song längst weitergeht. Dann entdeckt man die Stärken dieses Longplayers.

In der Essenz ist das von Grayson und David Arzt produzierte "The World Howls" ein Bluesalbum. Black Swift kehrt mit all ihren Ausflügen in viele andere Genres nur heraus, dass diese letzten Endes alle von genau dieser schwarzen, originär amerikanischen Musik abstammen. Aber sie blickt nicht zurück, sondern in geradezu extremem Maße nach vorn. Der Sound ist modern, er weiß um all die Dinge, die nach dem Blues passiert sind, und sucht nach Wegen, diese Stilelemente neu zusammenzusetzen.

Sally Grayson und den Co-Musikern auf dem Album geht es dabei weniger um den einen radiotauglichen Ohrwurm, sondern ums große Ganze, um Tiefen und Untiefen in der großen Erzählung namens amerikanische Popmusik. Darin verliert man sich nur allzu gerne. 

Black Swift, The World Howls. Kein Label. Verfügbar hier.