Das Neugereuter Theäterle pflegt Mundart und ist der älteste kulturelle Verein im Stadtteil. Stolz ist das Theäterle auf bisher 55 Inszenierungen, jedes Jahr mindestens zwei Neue.

Neugereut - Das Treffen ist fast eine Art Vollversammlung mit dem Vorstand. Einzig Diana Schneider fehlt, was noch eine Rolle spielen wird wegen der Bedeutung, die ihr fürs Theäterle zuwächst. Was dann zu einer weiteren, schmerzlichen Lücke führt – und direkt zur Gründungsgeschichte der Theatertruppe. Der entscheidende Initiator war der im vergangenen Jahr verstorbene Jürgen Massenberg, sodass die Runde zu einer Hommage an den „Gründervater“ wird: „Er war ein genialer Spieler und ein traumhaft guter Regisseur“, sagt Berthold Guth, Vorsitzender des Gremiums, und von Beginn an dabei. 24 Jahre liegt dieser Anfang nun zurück, und Guth erinnert sich gerne: „Wir haben gleich ein abendfüllendes Stück gemacht, und es war sofort ein Erfolg.“ Anfangs spielte die Laientruppe im ökumenischen Gemeindehaus, auf einem einfachen Podest. Dann zeitweilig in St. Barbara, schließlich im Rupert-Mayer-Saal, wo das Theäterle nun eine schmucke Bühne hat: „Das ist alles hart erspart und erspielt“, betont Guth, ein bisschen Theäterle-Urgestein wider Willen: „Nie im Leben konnte ich mir das vorstellen! Für drei Sätze habe ich einen Monat gebraucht. Dann hat es den Schnackler gemacht.“

 

Theater mit Herz und Bauch

Wegen der Theaterleidenschaft, mit der Massenberg die Gruppe infiziert und zusammengehalten hat. Menschen, aus ganz verschiedenen Feldern kommend: Hausmeister und Lokführer, eine Arzthelferin, ein Disponent, ein Kaufmann, Schreiner, Elektriker oder Bankkauffrau. „Da bringt jeder ganz eigene Erfahrungen mit, was die Arbeit an einer Inszenierung sehr bereichert“, sagt Christine Melchert. Mit ihrem Temperament wirkt die Erzieherin wie für die Bühne geboren: „Ich finde, man muss mit Herz und Bauch spielen. Dann geht das Publikum mit. Wenn es zu einer Art Symbiose zwischen Akteuren und Publikum kommt, dann gibt das ein totales Zufriedenheitsgefühl. Fast wie ein Orgasmus.“

Lebensecht sollen die Rollen sein, das ist das Credo der Truppe. Wobei Evelyn Lingen festgestellt hat, dass es eine Wechselwirkung gibt zwischen der eigenen Lebenswelt und dem Theaterspielen: „Was man im Theater lernt, das kann man auch im Beruf brauchen. Man lernt, die Perspektive zu wechseln und die Menschen anders zu sehen.“ Dorothea Gruber ergänzt: „Theater zu spielen gibt auch Selbstsicherheit.“ Und neben dem Spaß am Spiel und der Freude am Erfolg ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das keiner in der Runde missen möchte, wie Melchert bekennt: „Das Theäterle ist wie eine zweite Familie. Das gibt auch Halt. Und es ist immer eine Ensembleleistung.“ Das ist auch die Basis, auf der das Ensemble nach dem Tod des Gründervaters weitermacht: „Wir sind ein eingespieltes Team, jeder hat Ideen.“ So werde auch Diana Schneider schnell in ihre Rolle als neue Spielleiterin hineinwachsen.

Über 76 000 Besucher in über 800 Vorstellungen

Stolz ist das Theäterle auf das Vorzeigbare: 55 Inszenierungen, jedes Jahr mindestens zwei neue. In die über 800 Vorstellungen kamen über 76 000 gezählte Besucher. Krimis, Schwänke, Lustspiele, aber immer mit Niveau – darauf legt die Runde wert. Und immer auf Schwäbisch: „Unsere eigene Kultur zu bewahren, das liegt uns sehr am Herzen“, betont Berthold Guth, Vorsitzender auch der vor drei Jahren gegründeten „Vereinigung Stuttgarter Mundarttheater“. Als Hauswirtschaftsleiterin ist Dorothea Gruber „nur auf Hochdeutsch unterwegs. Aber richtig Schwäbisch schwätza, das ist ein Genuss. Das ist die Sprache, auf der ich mich auf der Bühne wohlfühle. Wie wir alle. Und das zündet beim Publikum.“ Gut 15 Aktive hat das Theäterle zur Zeit, ist also durchaus an Zuwachs interessiert. Wobei die Nennung einer speziellen Lücke für nachhaltige Heiterkeit sorgt: „Uns fehlen die jungen Liebhaber!“ Quasi eine Art Aufruf...