Felix Huby schreibt das Abschiedsstück für die Theaterleiterin Hildegard Plattner. Deren Vorgabe: 87 Mitspieler muss der Autor unterbringen. Seine Idee: Alle finden Platz in einem Schrebergarten.

Ehningen - Wenn Hildegard Plattner ruft, die Grande Dame des Theaters im Kreis Böblingen, dann kommen fast alle. Manches Mal dringt ihr Ruf sogar bis nach Berlin. Dort erreichte er Felix Huby, bekannt als Autor zahlreicher Bücher und Drehbücher. Seine populärste Figur, die er erschaffen hat, ist die des Tatort-Kommissars Bienzle.

 

Hildegard Plattner und Felix Huby verbindet so einiges. Vor allem Dettenhausen im Kreis Tübingen, das unmittelbar an den Kreis Böblingen grenzt. Dort ist Huby, Jahrgang 1938, geboren und aufgewachsen. Plattner lebt seit vielen Jahren im Ort. Begegnet sind sich die beiden erstmals vor fast 15 Jahren, als Huby seinem Heimatdorf ein Geschenk machte. Er schrieb ein Theaterstück für die 900-Jahr-Feier, das Hildegard Plattner inszenieren sollte. Zur Aufführung kam es freilich nie, weil sich eine Familie im Ort durch das Stück verunglimpft fühlte.

87 Mitspieler muss der Autor im Stück unterbringen

Vor drei Jahren traf Plattner den Autor bei einer Lesung und fragte ihn, ob er nicht ihr Abschiedsstück von der Musik- und Kunstschule schreiben wolle. Nächstes Jahr geht Plattner nach 33 Dienstjahren in den Ruhestand. Zum Abschluss soll es noch einmal ein ganz großes Theaterprojekt geben.

Huby willigte ein, bekam aber einen Riesenschreck, als er Plattners Vorgaben hörte: „Alle Menschen, die in den 33 Jahren meine Theatertätigkeit mitgemacht haben, sollen mitspielen dürfen, wenn sie wollen.“ 87 Schauspieler zwischen vier und 69 Jahren sind es, die Huby unterbringen muss. „Dazu kommen noch einige Leihkinder im Kleinkindalter“, erzählt Plattner. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Normalerweise heißt es, schreib ein Stück für nicht mehr als fünf Schauspieler, denn wir haben kein Geld“, sagt Huby.

Doch wie bringt man 87 Personen in einem Theaterstück unter? Huby dachte zunächst an ein Mehrgenerationenhaus, so eine Art Böblinger Lindenstraße. Doch der Spielort, das Hofgut Mauren in Ehningen, war dafür nicht geeignet. Bestens eigne sich das weitläufige Areal aber für einen Schrebergarten, sagte sich der Autor. Und so wird sich ein Acker hinter dem Hofgut im kommenden Frühjahr nach und nach in einen Schrebergarten verwandeln. Parzellen werden abgeteilt, Sommerblumen, Himbeeren und Kartoffeln gepflanzt, kleine Hütten aufgebaut.

55 Jahre deutsche Geschichte im Schrebergarten

In diesem Schrebergarten wird in drei Stunden 55 Jahre Geschichte erzählt: die der Bundesrepublik vom Jahre Null an bis zur Jahrtausendwende, die Historie der Stadt Böblingen und die Geschichte mehrerer Protagonisten. „Los geht es mit dem Glockengeläut der Maurener Kirche“, verrät Huby. „Die läutet das Kriegsende ein.“ Französische Soldaten werden von den Amerikanern abgelöst. Vertreter der Flower-Power-Generation treten genauso auf wie einige Hausbesetzer. Anfang der 90er Jahre soll dann ein pinkfarbener Trabbi mit den ersten Ossis im Böblinger Schrebergarten auftauchen. „Es gibt Liebesgeschichten, Kinder kommen zur Welt, die Leute werden älter“, erzählt Huby.

Fast 280 000 Euro beträgt der Etat von Plattner. Finanziert wird das Projekt fast ausschließlich von Sponsoren und Stiftungen. Auch die Stadt Böblingen gibt einen Zuschuss. Nach der Bauernoper und dem Zeitspaziergang – beides hatte Plattner für das Böblinger 750-Jahr-Jubiläum 2003 inszeniert – ist das Schrebergartenprojekt das größte ihrer Laufbahn. „Und es verteilt sich anders als beim Stadtjubiläum nicht auf mehrere Schultern“, sagt die Theatermacherin. Die Proben haben bereits begonnen, im nächsten Frühjahr steht die Bepflanzung des Gartens auf dem Programm. 17 Vorstellungen von Juni bis August hat Plattner geplant. „Mit zwei Wochen Pause während der Fußball-WM.“

Felix Huby ist mächtig beeindruckt von der Dimension dieses absolut „professionellen Amateurtheaterprojekts“. Beeindruckt ist offenbar auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann von dem Vorhaben. Er wird der Schirmherr.