In schöner Regelmäßigkeit schleift das Ensemble des New English American Theatre Trophäen nach Stuttgart. Jüngst hat das Ensemble aus Hamburg eine mitgebracht.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - In schöner Regelmäßigkeit schleift das Ensemble des New English American Theatre (Neat) Trophäen nach Stuttgart. Jüngst hat es wieder eine vom Feat aus Hamburg mitgebracht, dem Festival of european anglophone theatrical societies. Felice Becker wurde als beste Schauspielerin gekürt für die weibliche Hauptrolle in „The Diaries of Adam and Eve“ von Mark Twain. Ihr männlicher Gegenpart, Christian Reichel, brachte es immerhin zu einem Achtungserfolg und wurde für den Preis als bester männlicher Schauspieler nominiert. „Die beiden waren die Lieblinge des Festivals!“, schwärmt Charles C. Urban, Regisseur des Stücks, Chef und Gründer des Neat-Emsembles.

 

Die Liebe führt nach Stuttgart

Wer Urban nach seiner Truppe fragt, der knipst eine Art Zimmerspringbrunnen an, der fortan unentwegt quirlig sprudelt. Über jedes Ensemblemitglied, das auch bloß ein paar Monate lang in einer Nebenrolle brillierte, weiß er eine Anekdote zu berichten. Der 61-Jährige verfällt in einen Tonfall, als gelte es, im August Heizdecken zu verkaufen. Der ganze Körper parliert, ein verklärter Blick untermalt das fahrige Staccato der Worte, und mühelos diagnostiziert der Zuhörer alle Symptome eines Verliebten. Dabei sind er und das Neat schon seit 24 Jahren ein Paar – in wechselnder Besetzung. Momentan zählen fast 30 Schauspieler zum Ensemble. Das dienstälteste Mitglied ist seit 1995 dabei.

Urban hat die englischsprachige Schauspieltruppe 1991 gegründet. „Es war mir ein Bedürfnis, Englisch zu sprechen“, sagt der Mann aus Amerika. Er hatte sich 1972 auf seiner Reise durch Europa in eine Deutsche verliebt. Es war nicht geplant, gleich den Rest des Lebens miteinander zu verbringen, kam aber so. Er zog zu ihr nach Stuttgart, suchte sich Arbeit, lernte die Sprache. Über die Jahre verfeinerte der Amerikaner sein Deutsch zu einem dezent näselnden Honoratiorenschwäbisch, das seine amerikanische Herkunft akustisch zum Verschwinden brachte. Der Hörer würde Urbans Wiege jedenfalls eher in Botnang als in Chicago vermuten.

Urban selbst ist zwar stolz auf diese sprachliche Fertigkeit, „ich hatte aber Angst, allmählich mein Englisch zu verlieren“. So kam er auf die Idee mit dem anglophonen Theater. Auf eine Anzeige hin meldeten sich 50 Menschen aus England, Irland, Schottland, Kanada, den USA und sonst wo. Etwa die Hälfte blieb am Ende hängen: Urbans erstes Ensemble. Die meisten brachten Vorkenntnisse mit oder mehr: „Susan Borofsky zum Beispiel hatte zuvor ihre eigene Show am Broadway gehabt!“ Die Liebe zu einem internationalen Versicherungsmakler, der nach Stuttgart versetzt worden war, hatte die Schauspielerin in den Talkessel geschwemmt. Drei Jahre lang bereicherte Borofsky das Ensemble.

In Amerika abgekupfert

Bis heute sind hier illustre Persönlichkeiten versammelt: Wolfgang Hahn zum Beispiel. Dem 83-Jährigen, der elf Jahre lang für VW in den USA gearbeitet hat, gibt Urban gerne Sprecherrollen. Ferner gehören zwei ausgebildete Opernsänger zur Truppe, vier indische Schauspieler, die bereits in Bollywood-Produktionen zu sehen waren und viele, die sich schon in den Off-Theatern dieser Welt erprobt haben. „Wir sind eine internationale Familie“, sagt Urban und schickt ein Grinsen hinterher, weil das so schmalzig klingt.

Selbstredend wird Verwandtschaft nicht entlohnt. Die Schauspieler spielen umsonst, bloß zum Vergnügen. Urban betrachtet das Theatermachen als eine Freizeitbeschäftigung wie jede andere auch: „Fürs Briefmarkensammeln werde ich auch nicht bezahlt.“ Die Stücke wählt der Chef aus. „Das Wichtigste dabei ist, dass die Texte zu den Schauspielern passen. Für sie suche ich die Stücke aus.“

Inspirationen holt er sich in seiner alten Heimat. Mehrmals im Jahr fliegt er in die Staaten und schaut sich in der Theaterszene um. So ist Urban auch auf das Stück „The Diaries of Adam and Eve“ gestoßen und er hat die Idee des „Dark Monday“ abgekupfert. Der Begriff aus der amerikanischen Theaterszene bezeichnet eine Bewegung unabhängiger Theatergruppen, die an den spielfreien Montagen der etablierten Theater deren Bühnen bespielen. Mittlerweile ist der Dark Monday eine feste Größe im Terminkalender des Merlin.

Aber auch andere Orte in der Stadt werden von Neat bespielt. So sind die nächsten beiden Aufführungen von „The Diaries of Adam and Eve“ nach Mark Twain in einer Adaption von Elton Townend Jones in Stuttgart-Süd zu sehen. Sie finden an den beiden Freitagen 3. und am 10. Juli jeweils um 19.30 Uhr im Lapidarium in der Mörikestraße 24/1 statt. Eintrittskarten kann man telefonisch unter der Nummer 21 69 64 00 bestellen.