Wer wissen will, was Jugendlichen von heute so im Kopf herumspukt, kann am Freitag im Alten E-Werk etwas lernen. Dort hat ein Stück des 20-jährigen Simon Hoffmann Premiere, das Theater, Integration und politisches Engagement zusammenbringt.

Göppingen - Wir dürfen nicht zulassen, das wir ewig für die Fehler unserer Eltern und Großeltern bezahlen.“ Dieser Satz des Theaterstücks „Die wohlfeile Jugend“ ging Simon Hoffmann wohl durch den Kopf, als der heute 20-Jährige vor vier Jahren zu schreiben begann. Der Schulstress belastete ihn, die Ukraine-Krise machte ihm Sorgen – und er fragte sich, was Jugendliche tun könnten, um später nicht in einer Welt leben zu müssen, die sie so nie wollten.

 

Das Ergebnis war nicht nur Hoffmanns Jahresarbeit für die elfte Klasse der Göppinger Waldorfschule, sondern vor allem ein Jugendtheaterstück und Integrationsprojekt, das es jetzt auf die Bühne des Alten E-Werks geschafft hat. Bei der Premiere an diesem Freitag zeigen Jugendliche von zehn bis 20 Jahren aus Deutschland, Syrien, Afghanistan und Georgien, dass die Jugend von heute alles andere als Politikverdrossen ist und den Erwachsenen einiges zu sagen hat.

So mancher Erwachsene wird sich in den Figuren wiedererkennen

In dem Stück geht es um den jungen Philippus, der trotz oder vielleicht gerade wegen seines zerrütteten Elternhauses einen sehr genauen Blick auf die Gesellschaft und die Ungerechtigkeiten und Fehler im System hat. Zusammen mit anderen Jugendlichen gründet er eine Partei von der und für die Jugend, die sich schon bald zu einer landesweiten Protestbewegung auswächst.

Die Zuschauer können miterleben, wie sich Philippus und seine Freunde mit Themen wie Umweltschutz und sozialen Medien auseinandersetzen, wie sie darüber streiten, inwieweit Gewalt ein Mittel des Protests sein darf, und wie mit den Jahren bei der ein oder anderen Figur der Alltag, die Bequemlichkeit oder die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, den Einsatz für die Gesellschaft beenden. Und natürlich erfahren die Zuschauer aus erster Hand, was vielen Jugendlichen von heute auf der Seele brennt. So mancher Erwachsene wird sich im Lauf des Stücks wohl dunkel daran erinnern, dass auch er ganz ähnliche Gespräche irgendwann einmal geführt hat.

Ein Erfolg schon vor der Premiere

Obwohl das Stück noch gar nicht gezeigt worden ist, ist Hoffmann schon jetzt von dem Erfolg des Projekts überwältigt: „Wir haben erst im Mai angefangen zu proben. Ich dachte, ich müsste die Jugendlichen antreiben, aber das Gegenteil war der Fall. Die sind sogar gekommen, wenn sie selbst gar nicht dran waren, um die anderen zu unterstützen. Ich musste sie oft eher bremsen“, erzählt er. Zwischen den deutschen Jugendlichen, die in der Mehrzahl die Waldorfschule besuchen, und den jungen Syrern, Irakern, Afghanen und Georgiern, die größtenteils auf unterschiedliche Hauptschulen in und um Göppingen gehen, haben sich Freundschaften entwickelt. „Normalerweise wären die sich nie begegnet, jetzt verabreden sie sich in ihrer Freizeit.“

Vor allem den Flüchtlingen liegt das Projekt am Herzen. Tatsächlich wäre es ohne sie womöglich nie zustande gekommen. Denn es waren einige syrische Jugendliche, die Hoffmann überzeugten, ein Theaterprojekt auf die Beine zu stellen. Der bereits mehrfach für seine Kurzfilme ausgezeichnete angehende Filmemacher hatte sie bei dem – ebenfalls ausgezeichneten – Projekt „Peace for Syria“ im vergangenen Sommer kennengelernt: Hoffmann hatte mit anderen deutschen und syrischen Jugendlichen ein Musikvideo zu dem Lied „Peace for Syria“ des damals 15-jährigen syrischen Rappers MC Manar gedreht und mit Gleichgesinnten einen Friedensmarsch von Adelberg nach Göppingen organisiert. „Danach wollten sie etwas neues machen und schlugen vor, ich könnte doch ein Theaterprojekt organisieren“, erzählt Hoffmann.

Unterstützung von Stadt, Land und Bund

Und so holte er sein Theaterstück wieder aus der Schublade, gewann die Jugendstiftung Baden-Württemberg und das Bundesprogramm „Demokratie leben“ als Sponsoren und die Stadt Göppingen als Unterstützer. Denn Hoffmann wollte das Projekt so professionell aufziehen wie möglich. Deshalb sind im Team neben den jungen Schauspielern auch der Fotograf Heiko Hofmann für die Bilder, der Musiker Markus Bader für den Ton sowie die musikalischen Einlagen und andere Unterstützer vom Fach. Geprobt haben die Jugendlichen zum Teil im Alten E-Werk, zum Teil im Freien, etwa im Schlosspark.

Damit das Projekt keine Eintagsfliege bleibt, haben Hoffmann und andere junge Erwachsene aus dem Kreis den Leitgedanken seines Theaterstücks in die Realität übertragen und zwar keine Partei, aber einen Verein gegründet. „Die demokratische Stimme der Jugend“ soll jungen Leuten eine Stimme geben und ihnen eine Bühne bieten, auf der sie ihre Ideen und Projekte verwirklichen können. „Wenn Du unter 28 Jahre alt bist und kreative Projekte zu gesellschaftlich relevanten Themen auf die Beine stellen willst, dann bist Du in unserer Initiative You move genau richtig, denn du bewegst die Welt“, schreiben die Vereinsgründer auf der Startseite ihrer Homepage (www.demokratische-stimme-der-jugend.de/verein.php).