Die Theater unterm Stuttgarter Tagblatt-Turm werden bald von Baustellen umgeben sein. Das trifft das Programm – und die Kinder, für die man doch eigentlich so viel tun will.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Wenn Brigitte Dethier derzeit die nächste Spielzeit im Jungen Ensemble Stuttgart (Jes) plant, so kann sie war über Stücke und Besetzungen nachdenken, eines weiß sie aber nicht: Wo gespielt werden wird. Denn im Sommer soll das Nachbargebäude in der Eberhardstraße 65 abgerissen werden und ein neues Gebäude entstehen. „Das ist beim Disponieren keine schöne Situation“, sagt Conrad Solloch, der Verwaltungsleiter des Jes, der der Intendantin derzeit keine bessere Nachricht liefern kann. „Wir müssen mit dieser Unsicherheit leben“.

 

Immerhin haben Stadt und Bauherren versprochen, dass der Abriss im Juli beginnt, wenn beim Jes, dem Figurentheater Fitz und der Tri-Bühne die Sommerpause anstehen. Geplant sind vier Monate für Abriss und Arbeiten am Fundament. Theoretisch könnten die Abendvorstellungen in der neuen Saison dann regulär stattfinden, sofern nicht auch abends gearbeitet wird.

Die eigentlichen Probleme beginnen für die Theaterleute aber erst nach dem Abriss. Denn sowohl das Jes als auch das Fitz sind die wichtigsten Kinder- und Jugendbühnen der Stadt – und spielen entsprechend viel tagsüber. „Während der geplanten 18 bis 20 Monate Bauarbeiten wird es immer wieder lärmintensive Arbeiten geben“, sagt Solloch. Deshalb ist klar, dass das Jes seine theaterpädagogischen Studios tagsüber nicht wird nutzen können, weil sie direkt an die Baustelle angrenzen. Um das Angebot dennoch aufrecht halten zu können, braucht das Jes einen Ersatzraum. Nach dem wird derzeit gesucht.

Ersatz ist schwierig zu finden

Aber auch wenn die Stadt die Theater unterstützt, wird es schwierig sein, einen geeigneten Ersatz zu finden, schließlich sind Räume gerade in der Innenstadt Mangelware. „Die Theaterpädagogik ist in der Regel an die Vorstellung geknüpft“, sagt Solloch, deshalb kann man auch nicht in andere Stadtteile ausweichen – die Schulklassen müssten zur Vor- und Nachbereitung quer durch die Stadt fahren.

Im Moment geht Solloch davon aus, dass zumindest auf der Bühne und im oberen Foyer tagsüber Vorstellungen werden stattfinden können, weil sie nicht unmittelbar an die Baustelle grenzen. Aber auch hier bleiben Unsicherheit. „Wenn unser Spielbetrieb betroffen wäre“, sagt er, „wäre es nochmals schlimmer“.

Aber auch wenn alle Seiten Lösungen suchen, treffen die Baumaßnahmen letztlich die Kinder und Jugendlichen, für die man das Angebot in den vergangenen Jahren doch eigens ausgebaut hatte. Auch das Fitz, das jüngst eine neue Stelle für die Theaterpädagogik bekommen hat, wird seine Räume tagsüber nicht nutzen können. Die Vorstellungen könnten in den Probenraum verlegt werden, davor müssten aber neue Fenster eingebaut und Fragen zum Brandschutz geklärt werden. „Wir hoffen, dass diese Lösung möglich gemacht werden kann“, sagt Christian Bollow.

Erfahrung mit Baustellen

Für das Figurentheater ist es nicht die erste Baustelle. Beim letzten Umbau des Tagblatt-Turm-Areals gastierte es tagsüber in anderen Theatern der Stadt. „Danach haben wir vier Jahre gebraucht, bis wir mit dem Publikum wieder auf dem Stand waren“, sagt Christian Bollow. Auch diesmal wird es nicht zu vermeiden sein, dass die Bühnen Zuschauer verlieren.

Eine kleine Hoffnung haben die Theaterleute aber: Auch das direkte Nachbargebäude wird noch abgerissen. In dem dortigen Neubau könnten jene Räume entstehen, die das Jes dringend braucht. „Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Solloch, „weil unser Angebot so gestiegen ist.“