Christoph Nix, der streitbare Intendant des Stadttheaters Konstanz, hat Ärger, weil in seiner Theaterzeitung die Rathausspitze angegriffen wird.

Konstanz - Mit den Pseudonymen ist das so eine Sache. Wenn man sie zu oft verwendet, scheint der Autor durch. Peter Panter, Kaspar Hauser, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel? Ganz klar: Kurt Tucholsky. Das wussten auch schon die Zeitgenossen des Satirikers. Michael Menz? Keine Frage, sagt die Stadtverwaltung von Konstanz: das ist niemand anderer als Christoph Nix, seit 2006 der Intendant des Stadttheaters. Schließlich hat der streitbare Theatermacher in seiner Novelle „Rabenjagd“ von 2009 just diesen Namen seiner Hauptfigur gegeben. Es geht dort um einen jungen Juristen, der sich auf eine Theaterdirektorenstelle in einer Kleinstadt bewirbt und sich mit Kulturbürgermeistern rumschlagen muss.

 

Menz ist ein kaum verhülltes Alter Ego von Nix. Der Theatermann sieht sich stetig unter Kulturbürgermeistern leiden. Sein Widerpart in der Wirklichkeit heißt Andreas Osner, seit 2013 Bürgermeister für Soziales und Kultur in Konstanz. Der Volkswirt, Jahrgang 1968, war davor bei Bertelsmann-Stiftung, zuständig für Demokratie und Bürgerbeteiligung.

Er hat Nix einen Maulkorb verpasst. Im „Trojaner“, einer von Nix herausgegebenen Theaterzeitung, die dem Lokalblatt in einer Auflage von 40 000 Stück beilag, hat der nämliche Autor Menz unter der Überschrift „Empört Euch“ ein Lamento über die lokalen Verhältnisse verfasst und dabei die versammelte Konstanzer Rathausspitze heruntergeputzt. „Alle drei gewählte Bürgermeister fallen dadurch auf, dass sie wenig Profil bilden, dass sie ausschließlich eine Form der Repräsentationskultur bedienen“, heißt es dort. Und weiter: „Kein Wort von einem kommunalen Politiker zur Waffenindustrie am Bodensee, kein Wort zu den ständig stattfindenden Umverteilungsprozessen der Pharmapolitik in der alemannischen Region, stattdessen wird das Thema des Konzils zu einer unpolitischen Werkschau, als stünden wir nicht gerade mit kriegerischen Konflikten an einem außenpolitischen Abgrund.“

Gepfefferte Briefe werden ausgetauscht

Das erinnerte nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ auf den ersten Blick an „eine lokale Sommerposse“. Wenn man aber das reichlich pomadig aufgetragene und theatralisch inszenierte, an Émile Zola angelehnte „J’accuse!“ außer Acht lässt, ist die Analyse der seit Jahrzehnten selbstgefällig im eigenen Sud vor sich hin dümpelnden Konstanzer Lokalpolitik so falsch nicht. Für die Kulturpolitik stimmt das nicht. Nix fand für sein Theater einen aufgeschlossenen Gemeinderat vor, der die älteste Spielstätte Deutschlands ebenso wie die Südwestdeutsche Philharmonie und das städtische Museum, beide nicht minder erfolgreich, finanziell gut ausstattete.

Darf also derlei ein Theaterdirektor, der doch nur ein Angestellter der Stadt ist, je nachdem schreiben oder als Herausgeber verantworten? Der in der Konstanzer Kultur noch nicht sonderlich aufgefallene, aber durchaus gutmütige Bürgermeister Osner fühlte sich so herausgefordert, dass er den Appell zur Empörung gleich wörtlich nahm und Nix beleidigt einen gepfefferten Brief schrieb. In dem Beitrag würden „unwahre Behauptungen verbreitet“ und er und seine zwei Amtskollegen „in einer Weise angegriffen, die nicht mit einem konstruktiven, respektvollen Miteinander vereinbar ist“. Per Dienstanweisung ordnete er an, dass „öffentliche Verlautbarungen, Schreiben, Pressemeldungen etc.“ künftig über seinen Schreibtisch und den des städtischen Pressesprechers zu gehen hätten. Seinen Brandbrief sandte er per E-Mail nicht nur an Nix, sondern auch an seine Bürgermeisterkollegen, das Personalamt, den Pressesprecher und alle Gemeinderäte. Damit war die heikle Personalangelegenheit in der Welt. Da half es wenig, dass Osner das Papier kurz darauf zurückzog.

Beim Publikum hat der Intendant Erfolg

Die Reaktion kam wie erwartet. Der Altachtundsechziger Nix begreift das als Angriff auf seine Form des engagierten politischen Theaters und die Pressefreiheit insgesamt. Nach 1945 habe es an deutschen Theatern keinen vergleichbaren Fall von einem Maulkorb für Intendanten und Herausgeber von Theaterzeitschriften gegeben. Wenngleich er damit recht haben mag, fragt man sich doch, ob es nicht eine Stufe tiefer geht. Da Nix mutmaßlich der erfolgreichste Nachkriegsintendant in Konstanz ist – seit Jahren hat er hohe Besucherzahlen, um die 100 000 pro Jahr, und bringt ausgezeichnete Produktionen heraus –, glaubt er sich derlei erlauben zu können.

An Konstanz und der Provinz und der mangelnden Aufmerksamkeit scheint er zu leiden. Nix, der gebürtige Hesse, der das R rollt, hat Clownerie, die Schauspielerei sowie Regie gelernt, aber auch Jura studiert. Gerade schreibt er an seiner zweiten Doktorarbeit – selbstredend über „Theater und Kulturpolitik“. Seine Veröffentlichungsliste zählt mehr als 150 Titel. Nix ist weiterhin als Rechtsanwalt zugelassen und lehrt Straf- und Theaterrecht.

Auch der Oberbürgermeister bekam sein Fett ab

Der inszenierte Streit ist seine Spezialität. Kein Monat vergeht, in dem er nicht irgend etwas anzuklagen hätte. Zuletzt zoffte er sich mit der Sparda-Bank, weil diese seinem gemeinnützigen Verein „Theater für Afrika“ ein kostenloses Konto verweigert und den jährlichen Zuschuss von 50 000 Euro gestrichen hatte. Für ein Stück über den Genozid an den Armeniern brauchte er Polizeischutz. Als Intendant in Kassel musste er nach Streit und Intrigen gehen. In Köln war er als Kulturdezernent an der CDU gescheitert. So war es immer bei Nix, so wird es sein.

Auch Oberbürgermeister Ulrich Burchardt (CDU) bekam im Nachgang noch sein Fett ab. Nix ließ durchblicken, er habe diesen noch nie in seinem Theater gesehen, was falsch ist, da er mindestens einmal dort gesehen wurde. Der OB, wenig amüsiert, erbittet ultimativ von Nix eine Stellungnahme. Doch Nix ist in die Theaterferien gegangen – übrigens: auch Osner und Burchardt urlauben. Weitere Maßnahmen werden von der Stadt offenbar nicht erwogen. Man wäre auch schlecht beraten. Schließlich weiß man, was man an Nix hat.

Nur der lokale „Südkurier“ fordert den Kopf des Intendanten. Es spricht viel dafür, dass dieser Sturm im Wasserglas bald unter der Notiz „Viel Lärm um nix!“ der Vergessenheit anheim fallen wird.