Die Theater-AG von St. Agnes in Stuttgart-Mitte hat Shakespeare aufgeführt – mit aktuellen Referenzen. In „Viel Lärm um nichts“ geht es um Intrigen, Missverständnisse, die große Liebe und die menschliche Psyche.

S-Mitte - Männer und Frauen sind das nackte Grauen, wie sie sich stundenlang tief in die Augen schauen . . .“ Versonnen singt eine Oberstufenschülerin, begleitet von einer anderen auf der Gitarre, „M & F“ von den Ärzten über das „Balzverhalten erwachsener Menschen“. Und das kann durchaus als klassisch, weil die Jahrhunderte überdauernd, gelten. In der Aula des Mädchengymnasiums St. Agnes bereitet das Lied den Boden für einen anderen Klassiker: „Viel Lärm um nichts“. Die Komödie „Much Ado About Nothing“ schrieb William Shakespeare zwischen 1597 und 1599. Die Theater AG des Agnes-Gymnasiums, bestehend aus frisch gebackenen Abiturientinnen und Oberstufenschülerinnen, indes transferierte das Stück von der Renaissance in die Gegenwart Italiens. Handelt es doch nicht nur von Liebe und Freundschaft, sondern vor allem auch von Verrat, Intrigen, Verstellung und bewusst gestreuten Falschinformationen.

 

Keiner soll glücklich werden

Nicht nur in seinen Tragödien, auch in seinen Komödien interessierte sich Shakespeare für die dunklen Seiten und Abgründe der menschlichen Seele, die Bitterkeiten und Verletzungen, die „das Herz nicht zur Ruhe kommen“ lassen. Und in „Viel Lärm um Nichts“ kann Don John nicht aus seiner Haut. Eine geplante Hochzeit erkennt er als „Basis für Schlechtigkeiten“. Nicht nur dem zukünftigen Bräutigam, den verhassten „Saubermann“ Claudio, sondern auch seinem Halbbruder Don Pedro, Prinz von Aragonien will er eine auswischen. Keiner soll glücklich werden!

Hintergrund: Eben kehrte Don Pedro siegreich aus dem Kriege heim. Und der Gouverneur von Messina, Leonato, lud den ruhmreichen Kämpen samt seinem Gefolge an seinen Hof, darunter dessen enge Vertraute Benedikt und Claudio. Letzterer verliebte sich auf den ersten Blick in Leonatos Tochter Hero. Sein Dienstherr half dem Getreuen, Heros Herz zu gewinnen: Auf dem Maskenball schlüpfte er in Claudios Rolle und warb inkognito um sie.

Durch den scheinbaren Tod entkommt sie der Schande

Nachdem schon dies Don John nicht verhindern konnte und die Hochzeit doch vor der Tür steht, greift er zu härterem Tobak: Er macht Claudio und Don Pedro glauben, dass Hero eine Hure ist, indem er sie des Nachts ein schmusendes Paar beobachten lässt. Die Frau, die Claudio und Don Pedro für Hero halten, ist allerdings ihr Kammermädchen mit Borachio, Don Pedros Gefolgsmann, der diese „zweite Täuschung“ einfädelte. Das Schicksal nimmt seinen Lauf: Claudio brüskiert Hero vor dem Altar, die zusammenbricht. Leonato lässt sie, aus Schande und um Licht in die Sache zu bringen, für tot erklären.

Freilich wird alles gut, wie es so in Komödien üblich ist. Allerdings erst, nachdem sich die Protagonisten durch die Tiefen menschlicher Irrungen und Wirrungen gewühlt haben – und das gleich in mehreren Handlungssträngen.

So sind auch Don Pedro und Hero Meister in Sachen Doppelspiel: Um die scharfzüngige Beatrice und den ungelenken Benedikt, die sich bei jeder Gelegenheit einen frisch sarkastisch Schlagabtausch liefern, zusammenzubringen, suggerieren sie ihnen jeweils, das der eine in den anderen verliebt sei. Wunderbar auch, wie die Figur des örtlichen Polizeichefs Hundsvogt den Amtsschimmel karikiert und keines der Fremdwörter, die er echauffiert heraushaut, richtig verwendet. Als er etwa die Intriganten verhört, erklärt er: „Ich mag deine Vernissage nicht – das ist ein klarer Fall von Korrusion.“

Shakespeare in verständlicher Sprache

Dass der vieldeutige Kosmos Shakespeares, dem grandiosen Beobachter der menschlichen Psyche und Verhaltensweisen, verständlich wurde, ist nicht nur ein Verdienst der 21 Schülerinnen, die sich an zwei Abenden in verschiedenen Besetzungen leidenschaftlich Wortgefechte, Schwüre und Foppereien lieferten. Die Theater AG-Leiterinnen, die Lehrerinnen Gudrun Bregler und Eva Marks, wussten das Stück mutig gekürzt und mit zeitgeistigen Elementen zu inszenieren. Dazu gehörten nicht nur live gesungene Lieder wie Pink Floyds „Wish You Were Here“ oder James Blunts „You’re Beautiful“, sondern auch das Bühnenbild, das zwei Kunstleistungskurslerinnen gestalteten: Auf dem Bild eines „MyPhone 7“ wurde in App-/SMS-Form immer wieder das Bühnengeschehen per Projektion kommentiert.