Die Theatergruppe der Musik- und Kunstschule Böblingen inszeniert eine selbst geschriebene Komödie, bei der auch Flüchtlinge im Alter von 17 bis 19 Jahren auf der Bühne stehen. Jalil Hamidi und Marc Dannecker machen bei dem Projekt wertvolle Erfahrungen.

Böblingen - Sie kommen hauptsächlich aus Afghanistan und Syrien – zwölf Jugendliche, so genannte unbegleitete Flüchtlinge. Die 17- bis 19-Jährigen gehören zum 16-köpfigen Theaterensemble der Musik- und Kunstschule Böblingen, die sich bei der Inszenierung der Eigenproduktion „Takeaway – menschlich sein zum Mitnehmen“ selbst köstlich amüsieren. Das soll am kommenden Freitag auch das Premierenpublikum bei dieser Komödie, die vom ganz normalen Chaos zwischenmenschlicher Beziehungen rund um eine Imbissbude erzählt. Mit von der Partie sind Jalil Hamidi, Asylbewerber und seit eineinhalb Jahren in Deutschland, sowie Marc Dannecker, der mit seinen Theaterkollegen Regie führt.

 
Herr Hamidi, Sie schlüpfen in dem Stück richtig gekonnt in verschiedene Rollen. Haben Sie früher schon Theater gespielt?
Nein, ich habe in Afghanistan nie auf einer Theaterbühne gestanden. Seit sechs Monaten mache ich hier bei diesem Theaterprojekt mit, und es macht mir riesig Spaß.
Herr Dannecker, wie ist es bei Ihnen? Wie sind Sie zum Theater gekommen?
Ich habe mit acht Jahren an der Böblinger Musik- und Kunstschule mit dem Theaterspielen begonnen und bin seit 14 Jahren dabei. Wir haben sehr viel eigenen Gestaltungsspielraum wie bei diesem integrativen Projekt, das wir selbst entwickelt haben. Das Stück hat sich unser Regieteam ausgedacht und geschrieben.
Was ist für Sie dabei der besondere Kick?
Hamidi Ich habe die Chance genutzt, um noch besser Deutsch zu lernen. Ich bin seit eineinhalb Jahren in Deutschland und habe den Hauptschulabschluss gemacht. In der Schule war ich mit anderen Flüchtlingen zusammen. Hier, beim Theater, kann ich auch deutsche Jugendliche kennenlernen. Ich bin sehr gut aufgenommen worden, es ist super in unserer Gruppe.
Dannecker Das Tolle ist, dass alle an einem Strang ziehen. Wir haben im Mai des vergangenen Jahres mit den Proben begonnen. Wir sind ein richtiger Freundeskreis geworden, jeder kann sich auf den anderen verlassen. Das ist ein riesiges Gefühl.
Wie oft haben Sie geprobt? Die Inszenierung wirkt echt professionell.
Hamidi Wir haben mindestens ein Mal pro Woche geprobt und seit März zusätzlich auch an jedem Wochenende. Der Aufwand war schon hoch, vor allem, weil ich immer aus Aidlingen mit öffentlichen Verkehrsmitteln komme.
Dannecker Die Truppe hat viel Freizeit investiert. Wir sind aber die ganze Zeit zusammengeblieben. Es ist kaum jemand abgesprungen – was bei anderen Projekten manchmal der Fall ist.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie an diesem Projekt mitmachen?
Hamidi Ich war drei Monate lang alleine auf der Flucht und wollte so schnell wie möglich Anschluss finden, mit anderen Gleichaltrigen zusammen sein. Die Stiftung Jugendhilfe in Böblingen hat mich dabei sehr gut unterstützt.
Dannecker Die Stiftung hat bei uns nachgefragt, ob wir ein Theaterstück mit unbegleiteten Jugendlichen machen wollen. Wir haben nicht lange überlegt.
Herr Hamidi, weshalb sind Sie alleine geflüchtet? Was ist mit Ihrer Familie?
Ich möchte darüber lieber nicht sprechen.
Reden wir über die Rollen in der Komödie. Das Stück spiegelt den deutschen Alltag.
Hamidi Ja, ich spiele einen Bauarbeiter, der Bier trinkt, eines von fünf Kindern einer genervten Mutter und einen Schwulen, der mit seinem Partner verlobt ist. Ich habe mit keiner der Rollen ein Problem.
Dannecker Wir haben die Rollen ausprobiert und besprochen, zu wem sie am besten passen. Das hat prima geklappt.
Bei allen Turbulenzen gibt es am Ende dann doch in Happy-End.
Dannecker Nein, nicht ganz. Wir wollten auch kritisch sein. Der Politiker, der vor der Imbissbude Wahlkampf macht, benutzt leere Floskeln und kommt bei den Leuten nicht an. Und auch bei dem schwulen Paar ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Gibt es für Sie ein Happy-End, Herr Hamidi?
Ich finde es toll hier. Durch das Theaterspielen habe ich vieles mitbekommen, wie es hier so läuft, ich habe viel gelernt. Ich möchte gerne in Deutschland bleiben, habe aber noch keinen Bescheid. Die Prüfung habe ich vor kurzem gemacht, das Ergebnis kenne ich bisher nicht. Ich habe aber einen Ausbildungsplatz bekommen. Im September möchte ich eine Lehre als Zimmermann beginnen.