Beim DFB darf es nur eine Meinung geben, glaubt der Präsident Theo Zwanziger: seine eigene. Alle anderen werden kaltgestellt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Frankfurt - Es gibt ein berühmtes Foto, das viel über Theo Zwanziger verrät. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes ist darauf allerdings gar nicht zu sehen. Dabei wäre Zwanziger doch zu gerne gemeinsam mit der Bundeskanzlerin abgelichtet worden, wie sie vor einem Jahr nach der Berliner Partie gegen die Türkei dem deutschen Nationalspieler Mesut Özil in der Kabine gratuliert. Angela Merkel hatte es damals dabei belassen, nur den Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff um eine Kabinenbesuchserlaubnis zu bitten und nicht auch noch den DFB-Präsidenten. Jede Zeitung veröffentlichte das Foto mit dem halbnackten Özil, mit der Kanzlerin, ohne Zwanziger.

 

Das waren einfach zu viele Angriffe auf das Präsidenten-Ego. Neben dem Frauenfußball ist doch die Integration sein großes Thema. Und dann dieses schöne Werbefoto zum Thema - ohne ihn. Er wolle doch, bitte schön, in Kenntnis gesetzt werden, wenn ein solcher Staatsbesuch in seinem Reich ansteht, teilte der Präsident der Kanzlerin umgehend telefonisch mit.

Eigeninitiative ist für den Juristen Theo Zwanziger ein Vergehen - aber nur, wenn sie nicht von ihm ausgeht. Wenn er ein solches Handeln selbst bei Angela Merkel bemängelt, ist nicht schwer zu erraten, wie der 66-Jährige mit Menschen beim DFB umgeht, die sich mehr zutrauen, als eigenständig den Weg in die Kantine einzuschlagen. Die entsprechende Erfahrung hat jetzt der DFB-Vizepräsident Rainer Koch gemacht. Der Ressortleiter Recht hatte sich des Falles Manfred Amerell angenommen.

Amerells Rachefeldzug gegen den Verband

Koch hatte sich mit Amerell getroffen, um das für alle Beteiligten entwürdigende Schauspiel um den in Schimpf und Schande entlassenen Schiedsrichter-Obmann anzugehen. Amerell ist auf einem unkontrollierten Rachefeldzug gegen den Verband. Kochs Ziel: die tickende Zeitbombe zu entschärfen, nachdem Amerell zuletzt den Schiedsrichter-Steuerskandal ins Rollen gebracht hatte. Nun wurde Koch zum Verhängnis, dass er Zwanziger nicht über jeden einzelnen seiner Schritte informiert hatte. Dieses Verhalten erfüllt nach der Rechtsauffassung des Präsidenten wohl den Tatbestand der Majestätsbeleidigung - und muss umgehend bestraft werden. Koch wurde versetzt und zum neuen Leiter des in der internen Hierarchie ganz unten angesiedelten Ressorts "Freizeit- und Breitensport" gemacht. Versetzt - oder besser gesagt: kaltgestellt.

Auf eine solche Vorlage dürfte das rheinland-pfälzische CDU-Mitglied Zwanziger gewartet haben, schließlich ist ihm der bayerische SPD-Mann Koch zuletzt immer suspekter geworden. Innerhalb des DFB äußerte Koch auch ab und zu Kritik an Entscheidungen Zwanzigers. Und dann gab er dummerweise auch noch in der Öffentlichkeit ein gutes Bild ab, weil er sehr sachkundig Fragen aus seinem Aufgabengebiet beantworten konnte. Weil Koch außerdem mit einigem Selbstvertrauen ausgestattet und ihm Eitelkeit nicht fremd ist, gilt der 52-Jährige durchaus als Kandidat für das Präsidentenamt, vielleicht schon bei der nächsten Wahl in zwei Jahren.

Nationalelf ist Gegenentwurf der DFB-Zentrale

Theo Zwanziger aber hat ganz andere Pläne. Er will bis 2016 deutscher Fußballboss bleiben und dann - wenn es denn unbedingt sein muss - den Stab an seinen Generalsekretär Wolfgang Niersbach abgeben. Diese Aussichten haben Niersbach zum Mitglied im DFB-Club der Abnicker werden lassen. Dazu gehört auch Rolf Hocke, der im Wechsel mit Rainer Koch dessen Ressort übernehmen darf. Zur Befriedung des Falls Amerell hat diese Personalentscheidung sicher nicht beigetragen. Amerell wollte unter diesen Umständen zunächst nicht mehr an einem Mediationsverfahren teilnehmen. So geht es am 7. Dezember vor dem Landgericht Stuttgart wohl in die nächste juristische Runde zwischen dem ehemaligen Funktionär und dem Schiedsrichter Michael Kempter, der Amerell sexuelle Belästigung vorwirft.

Die Verhandlung wird Zwanziger wohl wieder ungehalten kommentieren. Der DFB-Mediendirektor Ralf Köttker ist jedenfalls der Allerletzte, der den Präsidenten bremst. Schließlich wurde das seinem Vorgänger Harald Stenger zum Verhängnis. Stenger versuchte in verschiedenen Fällen mäßigend auf Zwanziger einzuwirken - mit dem Erfolg, dass ihm der frühere "Bild"-Journalist Köttker vor die Nase gesetzt wurde. Nur der ausdrückliche Wunsch des Bundestrainers Joachim Löw und seines Teams hat es möglich gemacht, dass Stenger weiter für die Medienarbeit bei der Nationalmannschaft zuständig ist.

So hat sich die Nationalelf und ihr direktes Umfeld zum Gegenentwurf der Frankfurter DFB-Zentrale entwickelt, wo die Jasager sitzen. Diese Autonomie wird wohl vor allem deshalb zähneknirschend gebilligt, weil es sportlich gut läuft.