Für ihre Solidarität mit Flüchtlingen sind in Stuttgart fünf Preisträger mit Theodor-Heuss-Medaillen ausgezeichnet worden. Als Festredner betont Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche die Bedeutung von Unternehmen für die Integration von Flüchtlingen: Sie sei nicht nur menschlich geboten, sondern auch ökonomisch sinnvoll.

Stuttgart - Gesellschaftspolitische Beiträge von Industriekapitänen sind in Deutschland eher selten – auch Daimler-Chef Dieter Zetsche hält sich da zurück, er hat nach eigenem Bekunden bei Autothemen „mehr Übung.“ Doch bei seiner Rede im Rahmen der Verleihung des 51. Theodor-Heuss-Preises am Samstag im Stuttgarter Neuen Schloss vermittelt er keineswegs den Eindruck, mit dem sperrigen Motto der Veranstaltung zu fremdeln: „Flucht nach Europa – Deutschland auf dem Weg: Solidarität und Fantasie aus der Mitte der Zivilgesellschaft“.

 

Zetsche geht als Unternehmer das Problem der Integration ganz pragmatisch an: Seit Anfang November biete Daimler 14-tägige Brückenpraktika – da würden die Flüchtlinge den Arbeitsalltag an einem High-Tech-Standort kennenlernen und gleichzeitig Sprachunterricht erhalten, Bewerbungsgespräche üben. „Das Modell hat Zukunft“, findet Zetsche. Und: Unternehmen seien „echte Integrationsmaschinen“. Ein Arbeitsplatz sei ja eine Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Menschen an einem neuen Ort zu Hause fühlen. Es ist kein abgehobenes Soziologendeutsch, das Zetsche spricht, sondern der Klartext des effzienzorientierten Managers. „Warum“, fragt er in den Saal, „sollten die Asylbewerber von heute nicht die Fachkräfte vor morgen sein?“ 70 Prozent von ihnen seien jünger als 30, und die meisten wollten sich hier eine neue Existenz ausbauen. „Ich bin überzeugt: Wer alles hinter sich lässt und unter großen Gefahren hierher kommt, ist hoch motiviert, sich ein neues Leben aufzubauen“, sagt Zetsche.

Auch „die stillen Helfer“ werden ausgezeichnet

Nach Ansicht des Daimler-Chefs sind die Flüchtlinge auf jeden Fall eine Bereicherung für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland. „Es gibt gute Gründe, die aktuelle Situation auch positiv zu sehen.“ Und so ist es für ihn eine Ehrensache, die in diesem Jahr von der Heuss-Stiftung mit Medaillen ausgezeichneten Flüchtlingshelfer zu würdigen: Die 2014 gegründete Online-Uni Kiron Open Higher Education, den Verein Grandhotel Cosmopolis, der Exilanten, Künstler und Touristen unter einem Dach vereinigt, die Clowns ohne Grenzen Deutschland, die die Menschen in Krisengebieten und die Flüchtlinge in Deutschland wieder zum Lachen bringen sowie die Flüchtlings-Fußballmannschaft Welcome United 03 des SV Babelsberg. Mit der Medaille an „die stillen Helfer“ – personifiziert durch die Stuttgarterin Marina Silverii - wird darüber hinaus die Zivilgesellschaft in Deutschland selbst geehrt, die bei der Unterstützung von Flüchtlingen aktiv wie nie zuvor gewesen sei. Die Heuss-Stiftung hat in diesem Jahr bewusst darauf verzichtet, einer prominenten Einzelperson einen Preis zu verleihen.

In ihrem Grußwort betont Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, dass die Bereitschaft, den Flüchtlingen zu helfen, kontinuierlich gestiegen sei: „Unser Land kann Solidarität.“ Und OB Fritz Kuhn verweist auf die Menschen aus 170 Nationen, die in Stuttgart leben – in der „europäischen Stadt der Integration“. Der Festakt ist ein Hochamt der Willkommenskultur – genauso haben es sich die Veranstalter gewünscht.