Exklusiv Der CDU-Landeschef Thomas Strobl hält bei der Vorratsdatenspeicherung einen nationalen Alleingang für denkbar. Er argumentiert, dass Ermittlungsverfahren zur Kinderpornografie ohne Vorratsdatenspeicherung ins Leere liefen.

Stuttgart/Berlin - Der CDU-Landeschef Thomas Strobl dringt auf einen deutschen Alleingang bei der Vorratsdatenspeicherung. Auch bei näherer Betrachtung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestehe Spielraum für den nationalen Gesetzgeber, sagte der Bundestagsabgeordnete der Stuttgarter Zeitung. „Das Urteil verdammt uns keineswegs zur Untätigkeit.“ Die Luxemburger Richter hatten jüngst die aus dem Jahr 2006 stammende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit der europäischen Grundrechte-Charta erklärt.

 

Eine Speicherpflicht müsse sich auf das „absolut Notwendige“ beschränken. Dagegen hatte die EU-Richtlinie der Telekommunikationsbranche auferlegt, die Verbindungsdaten ihrer Kunden – Telefon wie auch Internet – bis zu zwei Jahre zu speichern. In der deutschen Umsetzung wurde die Speicherfrist auf sechs Monate begrenzt, aber auch diese vergleichsweise vorsichtige Regelung fand 2010 beim Bundesverfassungsgericht keine Akzeptanz.

SPD-Innenminister Gall ist gegen „Extrawürste“

Ähnlich wie die große Koalition in Berlin möchte auch Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) erst dann wieder aktiv werden, wenn die EU-Kommission eine neue Richtlinie vorgelegt habe. Der SPD-Politiker sagte: „Es bringt nicht unbedingt einen Sicherheitsgewinn, wenn jedes Land eine Extrawurst brät.“ Die EU-Kommission solle zügig eine neue Richtlinie erarbeiten. „Das muss ja nicht immer zwei Jahre dauern.“ In Berlin geht man allerdings davon aus, dass eine neue Richtlinie, wenn sie denn kommt, nicht vor 2017 vorliegen wird.

Mit seiner Ansage befindet sich Innenminister Gall – nicht zum ersten Mal – im Konflikt mit dem Koalitionspartner im Land. Nach dem EuGH-Urteil forderte der Landesvorstand der Grünen: „Die Vorratsdatenspeicherung gehört in die Mottenkiste gepackt – und zwar für immer.“ Allenfalls ein anlassbezogene, gezielte Speicherung von Telekommunikationsdaten sei denkbar. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Landtagsabgeordnete Alexander Salomon: „Die Innenminister der Länder müssen ihren Irrweg vom Allheilmittel Vorratsdatenspeicherung nun im Lichte des europäischen Wertekanons überdenken.“ Salomon hat da leicht reden. Zwar regieren die Grünen derzeit in zahlreichen Bundesländern mit, das Amt des Innenminister aber ist ihnen immer noch fremd.

Das bekommt Reinhold Gall immer wieder zu spüren – ob es nun um begrenzte Alkoholverbote geht, um die Kennzeichnungspflicht für Polizisten oder jetzt um die Vorratsdatenspeicherung. Was Letztere betrifft, treten indes auch Teile der SPD-Bundestagsfraktion auf die Bremse. Der EuGH habe die Anforderungen an die Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung extrem eng gesetzt, sagte die nordrhein-westfälische Abgeordnete Christina Kampmann. „Es stellt sich die Frage, ob eine verfassungskonforme Ausgestaltung unter diesen Voraussetzungen möglich ist.“

Strobl argumentiert mit Zahlen der Polizeigewerkschaft

Baden-Württembergs CDU-Chef Strobl hält dagegen. Er verweist auf Zahlen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) aus Nordrhein-Westfalen. Dort hätten in den vergangenen drei Jahren bei 1020 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Kinderpornografie in 268 Fällen die Täter nicht ermittelt werden können, weil es keine Vorratsdatenspeicherung gebe.

Strobl warnte davor, „die Augen vor der Realität zu verschließen“. Die Bekämpfung der Kinderpornografie werde nur dann erfolgreich sein, „wenn wir das Sexualstrafrecht wie geplant verschärfen und zugleich die Polizei mit den geeigneten Ermittlungsinstrumenten ausstatten“.