Die Rückkehr des Trigema-Affen zeigt: Werbespots mit Tieren sind so gefragt wie nie. Werbefachleute schätzen die Emotionen, die die Vierbeiner auslösen, Kritiker prangern die Praxis als Tierquälerei an.

Stuttgart - Tiere gehen bekanntlich immer. Was eine Goldene Regel von Online-Portalen und Social-Media-Redakteuren ist, haben auch Werbefachleute seit Jahren erkannt. Bekannteste Beispiele sind die Milka-Kuh, der Bärenmarke-Bär sowie der Schimpanse Charly des Textilunternehmens Trigema. Der Affe, der seit dem Jahr 1990 regelmäßig mit Hemd und Brille in einem kurzen Spot vor der Tagesschau im Ersten für das Burladinger Unternehmen geworben hat, soll nun sein Comeback bekommen, allerdings als computeranimierter Affe.

 

Er werde noch immer auf den Affen angesprochen, sagte der Trigema-Chef Wolfgang Grupp (74) der „Welt am Sonntag“. Das zeige, wie wichtig der Schimpanse für das Unternehmen sei. „Im letzten Werbespot war er zwar nicht dabei, aber wir werden das ändern“, kündigte Grupp an. Im nächsten solle er am Schluss wieder einen Auftritt haben.

Was hat eine Bulldogge mit einem Auto zu tun?

Damit schließt sich Trigema einem Trend wieder an, den das Unternehmen in Deutschland vor 26 Jahren selbst mit etabliert hat. Denn Werbung mit Tieren funktioniert meist besser als ohne, unabhängig davon, ob das Produkt für das Tier geeignet ist oder nicht. Denn während die Verbindung zwischen Vollmilchschokolade und einer (nun ja, lila) Kuh oder zwischen Katzenfutter und einer Katze noch einleuchtend ist, stellt der mündige Verbraucher sich die Frage, was ein Affe mit Hemden zu tun haben soll oder eine englische Bulldogge mit dem Auto Mini. (Die profane Antwort: die platte Schnauze).

Im Prinzip müssen Produkt und Tier überhaupt keine Verbindung haben. Für die Werber zählt, dass Hunde, Katzen und Co. beim Betrachter positive Emotionen wecken – und damit wird die Marke vom Konsumenten mit einem besseren Gefühl verknüpft.

„Bei etwa achtzig Prozent der Werbung, in denen Tiere vorkommen, geht es nicht um Tierprodukte“, schätzt Ute Woelki. Die Fotografin und Tiertrainerin betreibt seit sieben Jahren eine Tiermodellagentur in Nürnberg. Sie hat schon Tiere vermittelt für Werbekampagnen von Mercedes, BMW, der Telekom oder der Postbank. Teilweise bekomme sie an einem Tag bis zu hundert Anfragen von Menschen, die ihren Vierbeiner in die Werbung bringen wollen. Nach ihrer Wahrnehmung nimmt die Werbung mit Tieren zu.

Hunde sind gefragter als Katzen

Ihre Erklärung dafür: „Es hat auch die Anzahl der Tiere in deutschen Haushalten zugenommen. Haustiere sind heute häufig ein Teil der Familie“, sagt sie. Im Schnitt gibt jeder Haushalt in Deutschland 15 Euro im Monat für Haustiere aus. 30 Millionen Haustiere gibt es in Deutschland, davon hauptsächlich Katzen (12,9 Millionen) und Hunde (7,9 Millionen). Bei der Werbung sei es jedoch genau andersrum, sagt Woelki: Hunde seien gefragter als Katzen.

Vielleicht auch, weil sich mit ihnen einfacher arbeiten lässt. „Katzen kann man nichts befehlen, man muss auf Augenhöhe mit ihnen arbeiten“, sagt die Tierpsychologin Judith Böhnke. Grundsätzlich könne aber jedes Tier lernen, vor der Kamera zu stehen. „Wichtig dabei ist, dass das Tier Spaß an der Sache hat“, sagt Böhnke. Das kann man beispielsweise an einem Werbespot von Ikea sehen, der 2010 in Großbritannien lief. Dabei durften 100 Katzen nachts in einem Möbelhaus herumstreunen – mit sichtlicher Freude, wie der Spot zeigt.

Ute Woelki legt Wert darauf, dass die von ihr vermittelten Tiere nicht unter Zwang für Werbezwecke eingesetzt werden. „Wenn sich ein Hund beim Casting unwohl fühlt, schicke ich ihn und sein Herrchen wieder heim“, sagt sie. Wichtig sei, dass man dem Tier Zeit gebe, sich an die ungewohnte Umgebung, Kamera, Scheinwerfer, viele Menschen, zu gewöhnen. Es müsse immer mit positivem Feedback gearbeitet werden, sprich Belohnung statt Bestrafung. Außerdem dürfe bei ihr nie länger als zehn Minuten am Stück mit dem Tier gearbeitet werden. Anders als bei Kindern gebe es bei Tieren nämlich keine Vorschrift, wie lange ein Vierbeiner vor der Kamera stehen darf.

Man sieht, ob ein Tier beim Dreh Spaß hat

Wie bei einem Kind merke man auch bei Tieren ganz schnell, ob sie Spaß an einer Sache haben oder nicht. Ein negatives Beispiel ist für Woelki der neue Spot eines Schmerzgels, bei dem eine grantige Perserkatze sich darüber aufregt, dass Frauchen seit Neuestem wieder viel aktiver ist. „Der Kater sieht zwar schon rassebedingt pampig aus, aber man merkt dem Spot an, dass das Tier beim Dreh keinen Spaß hatte“, ist sie überzeugt. So sei beispielsweise auch die letzte Einstellung, in der der Kater die Geltube vom Bett stößt, montiert.

Was bei Woelki ebenfalls No-Gos sind: Fell Abrasieren oder Färben, Haarspray, Nagellack, Kontaktlinsen für Hund, Katze und Co. Oft träten Werbeleute mit unrealistischen Vorstellungen davon, was ein Tier alles leisten kann und will, an sie heran. Beispielsweise eine Katze, die gegen eine Scheibe springen und dann daran kleben bleiben soll – wie im Comic, nur eben mit einer echten Katze. „Bei solchen Anfragen weise ich ganz schnell draufhin, dass man derartige Aktionen auch gut am Computer animieren kann.“ Der Tierschutz müsse immer eingehalten werden.

Tiere sollen nicht als Clowns degradiert werden

Der deutsche Tierschutzbund hat die Position, dass „Tiere in TV-Auftritten grundsätzlich nichts zu suchen haben“, sagt dessen Sprecher Marius Tünte. Da es aber nicht verboten ist und die Werbefachleute die positive Wirkung von Tieren in der Werbung sehr schätzen, müsse man darauf achten, dass auf Tierwerbung spezialisierte Fachleute am Set seien. Diese verhindern, dass das Tier zu großem Stress ausgesetzt ist und Aktionen ausführen muss, die normalen psychischen Verhaltensweisen entgegengesetzt sind. „Es geht um eine realistische Darstellung des Tieres, bei dem seine Würde gewahrt bleibt“, sagt Tünte. Eine zu starke Vermenschlichung der Vierbeiner würde sie als Clowns degradieren. Bei Haustieren ist diese Versuchung besonders stark, wie ein Spot des Discounters Netto zeigt, bei dem die Agentur Jung von Matt beliebte Online-Meme-Katzen, beispielsweise Grumpy Cat oder Keboard Cat, einkaufen gehen lässt.

Tünte hofft, dass die Entscheidung Trigemas, künftig einen computeranimierten Affen einzusetzen, eine Signalwirkung auf die Branche haben wird. Denn Wildtiere ließen sich nicht so einfach trainieren wie beispielsweise ein Hund oder eine Katze. Und oft geschehe dies mit einer Negativ-Erziehung, die auf Zwang und Dressur setze.

Der Trigema-Chef Wolfgang Grupp jedenfalls hofft, dass er mit dem digitalen Affen „all den Tierschützern entgegen [kommt], die Filme mit lebenden Affen für Tierquälerei halten.“ Auf die Frage nach den Lebensumständen des leibhaftigen Trigema-Maskottchens konnte Grupp in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auch nur gestehen: „Ich kenne den Affen, der in unserem Werbespot ist, gar nicht persönlich.“