Eine Studie aus Ungarn zeigt: Hunde achten sowohl auf die Bedeutung von Worten als auch auf den Tonfall. Und sie merken genau, wenn beides nicht zusammenpasst.

Budapest - „Ügyes vagy“, säuselt die Frauenstimme. „Jól van“. Ungarisch ist für die meisten Europäer außerhalb Ungarns ein Buch mit sieben Siegeln. Kaum eine Chance, ein bekannt klingendes Wort herauszuhören. Für den vierbeinigen Adressaten der Botschaft, die so viel wie „guter Junge“ und „gut gemacht“ bedeutet, scheint die Sache allerdings klar zu sein: Er wird gelobt und quittiert das mit eifrigem Schwanzwedeln.

 

Doch versteht ein Hund tatsächlich die Bedeutung der Worte? Oder hört er nur auf den Tonfall? Dieser viel diskutierten Frage geht eine im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Studie nach. Eine Gruppe von Verhaltensforschern um Attila Andics und Anna Gábor von der Eötvös Loránd Universität in Budapest hat untersucht, wie das Hirn von Hunden Sprache verarbeitet. Und sind dabei auf erstaunliche Parallelen zum Menschen gestoßen.

Hunde gelten als besonders geeignet dafür zu untersuchen, wie Tiere Sprache verarbeiten. Schließlich leben sie Schätzungen zufolge zwischen 18 000 und 32 000 Jahren eng mit dem Menschen zusammen. Sie hatten Zeit, sich zu Experten für menschliche Kommunikation zu entwickeln.

Und das ist ihnen auch gelungen: Wenn man etwa mit dem Finger andeutet, in welche Richtung ein Tier laufen oder welchen Gegenstand es holen soll, verstehen Hunde das viel besser als ihre nicht domestizierten Ahnen. Wölfe können zwar auch lernen, was eine Zeigegeste bedeutet. Zur Perfektion aber bringen sie es nicht.

Manche Hunde kennen mehr als tausend Worte

Auch für gesprochene Sprache haben Hunde ein gutes Ohr. Sie schaffen es offenbar problemlos, den Sinn verschiedener Worte herauszufinden. So berichteten Julia Fischer und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig vor ein paar Jahren von einem Border Collies namens Rico. Das Tier kannte die Namen von mehr als 200 Spielzeugen und anderen Gegenständen, die es auf Verlangen apportierte. Andere Hunde haben sogar ein Repertoire von mehr als tausend Worten.

Auch dem Tonfall können Hunde viel entnehmen: Etwa, wie der Sprecher gelaunt ist. Das erkennen Mensch und Tier zum Teil an ganz ähnlichen Indizien. „Eine höhere Stimmlage ist zum Beispiel oft ein Zeichen für Aufregung“, sagt Attila Andics.

Um das alles richtig einschätzen zu können, hat sich im menschlichen Gehirn eine Art Arbeitsteilung entwickelt: Ein Bereich in der rechten Hälfte des Denkorgans analysiert die Sprachmelodie, die linke Hirnhälfte verarbeitet die Worte. „Unser Hirn analysiert also separat, was jemand sagt und wie er es sagt“, sagt der Forscher. Diese unabhängigen Informationen gleicht es dann ab. So verschafft sich das Gehirn einen Gesamteindruck davon, was der Sprecher wirklich meint.

Das Gehirn eines Hundes verarbeitet Sprache ähnlich wie das eines Menschen

Läuft es in einem Hundekopf vielleicht ähnlich? Erste Indizien dafür haben Victoria Ratcliffe und David Reby von der University of Sussex in Großbritannien schon vor zwei Jahren gefunden. Die Forscher hatten 250 Hunden Befehle vom Band vorgespielt – und zwar so, dass die Töne beide Ohren gleichzeitig erreichten. Trotzdem wendeten die Tiere den Kopf mal nach rechts und mal nach links. Wenn eine der beiden Gehirnhälften gerade besonders stark arbeitet, scheinen die Laute für den Hund demnach aus der gegenüberliegenden Richtung zu kommen. Ist die rechte Hälfte aktiv, schaut er also nach links und umgekehrt.

Das Team aus Budapest wollte nun live beobachten, wie Hundegehirne Sprache verarbeiten. Dazu haben die Forscher 13 Vierbeinern beigebracht, sich für sieben Minuten bewegungslos in einen sogenannten funktionellen Magnetresonanz-Tomographen zu legen. Diese unter dem Kürzel fMRT bekannten Geräte liefern hoch aufgelöste Bilder vom Gehirn und machen sichtbar, welche Areale des Denkorgans gerade aktiv sind.

Für das Tier ist das eine völlig harmlose Untersuchung. Und dem wedelnden Schwanz nach zu urteilen, der bei diesen Tests häufig aus der Röhre ragte, schien ihnen das auch durchaus klar zu sein. „Wir haben die Hirnaktivitäten der Tiere gemessen, während sie ihrer Trainerin zuhörten“, berichtet Anna Gábor. Diese verteilte vor allem verbale Streicheleinheiten. Mal trug sie die Lobesworte allerdings mit schmeichelnder Stimme vor, mal mit neutraler. Und manchmal gab es auch für Hundeohren bedeutungsloses Kauderwelsch in verschiedenem Tonfall zu hören.

Selbst in schmeichelndem Tonfall kommen Beleidigungen nicht gut an

In diesen Versuchen hat sich bestätigt, dass die Arbeitsteilung im Hundekopf tatsächlich ähnlich funktioniert wie beim Menschen: Für das Tier bedeutungsvolle Worte aktivieren die linke Gehirnhälfte – und zwar unabhängig von ihrer Betonung. Mit der rechten Hälfte analysieren die Vierbeiner dagegen die Sprachmelodie. Egal, ob sie die Worte verstehen oder nicht.

Problemlos schaffen sie es dann offenbar auch, die Ergebnisse beider Sprach-Checks abzugleichen. Auf den MRT-Bildern ist nämlich sehr deutlich zu sehen, dass Lob bei Hunden das Belohnungszentrum aktiviert. Es hat damit einen ähnlichen Effekt wie andere angenehme Erfahrungen – etwa Streicheleinheiten oder Futter. Das gilt allerdings nur dann, wenn Wortbedeutung und Sprachmelodie zusammenpassen. Selbst im schmeichelndsten Tonfall vorgetragen dürfte eine Beleidigung wie „Mistvieh“ demnach nicht gut ankommen.

Hunde sind also sehr sensibel für Untertöne und andere sprachliche Feinheiten. Das ist erstaunlich für eine Art, die selbst nicht sprechen kann und auch nicht zur näheren Verwandtschaft des Menschen gehört. Immerhin haben sich die Entwicklungslinien beider Arten schon vor 90 bis 100 Millionen Jahren getrennt.

Stammt das Talent zur Sprachverarbeitung also aus Zeiten, in denen die Sprache noch gar nicht erfunden war? Die Forscher halten das durchaus für wahrscheinlich. Sie glauben nicht, dass sich die Arbeitsteilung der Hirnhälften in den paar Zehntausend Jahren entwickelt haben kann, die seit der Domestikation des Hundes vergangen sind. Vielmehr scheint die nötige Hardware im Nervensystem schon vorhanden gewesen zu sein und sich an die Verarbeitung von Sprache angepasst zu haben. Bis die Hunde eines Tages verstanden haben, was das ungarische Wort „okos“ bedeutet: Clever.

Menschenaffen als Sprachgenies

Auch Menschenaffen können die Grundzüge menschlicher Sprachen erlernen. Berühmt geworden ist ein Schimpansen-Weibchen namens Washoe, dem Forscher mehrere hundert Zeichen der amerikanischen Gehörlosensprache beigebracht haben. Damit konnte das Tier erstaunlich kreativ umgehen. So kannte es zwar kein eigenes Zeichen für „Ente“. Doch als es auf einem Bild so einen Vogel sah, verwendete es die Gebärden für „Wasser“ und „Vogel“. Sogar für ihr Spiegelbild fand die Schimpansin Worte: Nach einigem Starren antwortete sie auf die Frage „Was ist das?“ mit: „Ich. Washoe“.

Ein ähnliches Talent hat der Bonobo Kanzi im Sprachforschungszentrum der Georgia State University in den USA gezeigt. Er konnte Anweisungen befolgen und verstand gesprochenes Englisch gut: Hörte er „melon“ oder „cat“, griff er nach dem Bild einer Melone oder Katze. Wurde ihm gesagt: „Gib dem Hund eine Spritze!“, wählte er unter mehreren Gegenständen eine Spritze aus und traktierte seinen Stoffhund damit.