Hunderte Tiere stehen wohlmöglich bald auf der Straße: Das Tierheim in Stuttgart-Botnang steht kurz vor dem finanziellen Aus. Laut den Verantwortlichen können jetzt nur noch Spenden und Fördermittel der Stadt helfen.

Stuttgart - Das Bellen, das stets über den Zaun des Tierheims in Stuttgart-Botnang schallt, könnte bald für immer verstummen. Denn das Tierdomizil steckt, wie berichtet, in großen finanziellen Schwierigkeiten. Wie Angelika Schmidt-Straube, die Vorsitzende des Tierschutzvereins, dem das Tierheim angehört, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mitteilte, reicht das Geld für den Weiterbetrieb gerade noch für ein bis zwei Monate. Wie es danach mit dem Tierheim weitergeht, ist noch völlig offen.

 

Das Tierheim hat Kosten von rund 1,8 Millionen Euro im Jahr

Der Unterhalt der 600 bis 800 Tiere, die ständig in Botnang versorgt werden, kostet laut Schmidt-Straube jeden Monat etwa 150 000 Euro, also rund 1,8 Millionen Euro pro Jahr. Etwa 80 000 Euro nimmt die Institution jedes Jahr durch Mitgliedsbeiträge und Patenschaften ein, rund 200 000 Euro fließen als Spenden nach Botnang und rund 180 000 Euro kommen durch Tombolas und Tiervermittlungen in die Kasse. Weitere 200 000 Euro werden jedes Jahr von der Stadt Stuttgart an das Tierheim bezahlt. Die Gesamtsumme von etwa 660 000 Euro deckt aber bei Weitem nicht die Kosten. Daher ist das Heim auch auf größere Erbschaften angewiesen. „2012 hatten wir mehrere Erbschaften“, sagt Schmidt-Straube. „In diesem Jahr sieht es aber bisher ganz anders aus. Und Erbschaften sind nun mal nicht planbar.“

Hinzu komme, so die Leiterin des Tierheims, Marion Wünn, dass die Vermittlung von Tieren immer schwieriger werde und die Tiere daher länger im Tierheim verweilten. Außerdem würden sich immer öfter Tierhalter an sie wenden, die den Tierarzt nicht bezahlen könnten. „Diese Leute schicken wir dann auch nicht weg, sondern übernehmen das“, sagt Wünn.

Auch andere Tierheime haben finanzielle Probleme

In finanziellen Nöten steckt nicht nur das Stuttgarter Tierheim. Auch andere Tierheime in der Region haben immer wieder mit Geldproblemen zu kämpfen. Erst vor wenigen Jahren stand das Böblinger Tierheim kurz vor der Pleite. Lediglich durch die Unterstützung des Landkreises konnte damals das Schlimmste abgewendet werden. Das Tierheim in Ludwigsburg hat zwar laut der Leiterin Ursula Gericke Rücklagen. „Die Kosten für Futter, Heizöl, Tierarzt und so weiter nehmen aber stetig zu, und es kommen immer mehr Tiere“, berichtet Gericke. „Mehr Zuschüsse der Kommunen gibt es trotzdem nicht.“

Dies bemängelt auch der Deutsche Tierschutzbund. Einer Umfrage des Tierschutzbundes zufolge verursacht die Fundtierverwahrung, die zu den Aufgaben der Kommunen zählt, durchschnittlich 80 Prozent der Kosten eines Tierheims. Davon erstatteten die Kommunen im Schnitt aber lediglich 25 Prozent. „Die wirtschaftliche Lage der Tierheime wird immer bedrohlicher. Die meisten Kommunen lassen die Tierheime bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderung alleine“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „In der akuten Notlage brauchen die Tierheime aber mehr Unterstützung.“

In Botnang hofft man auf eine neue Vereinbarung mit der Stadt

In Anbetracht der hohen Kosten und finanziellen Engpässe haben die Verantwortlichen des Botnanger Tierheims in dieser Woche ihre bestehende Vereinbarung mit der Stadt Stuttgart gekündigt. Der Vertrag, laut dem die Stadt jährlich 200 000 Euro an das Tierheim zahlt, sei „nicht mehr zeitgemäß“, findet Schmidt-Straube. Daher habe man OB Fritz Kuhn nun neue Pläne zur künftigen Zusammenarbeit vorgelegt. Wie diese Pläne aussehen, will Schmidt-Straube noch nicht sagen. Denkbar sei aber etwa ein Modell, nach dem die Stadt einen gewissen Geldbetrag pro Einwohner an das Tierheim bezahlt. „In vergleichbaren Städten liegt dieser Betrag bei 80 Cent bis einem Euro pro Kopf.“

Gerald Petri, Leiter der Abteilung Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsangelegenheiten der Stadt Stuttgart, erklärte, dass die aktuelle Finanzlage des Tierschutzvereins „von der Stadt nicht beurteilt werden“ könne. Allerdings sei die Stadt gesetzlich dazu verpflichtet, Tiere unterzubringen, die gefunden würden oder sicherheitshalber untergebracht werden müssten. Das Kündigungsschreiben des Tierheims wolle man nun eingehend prüfen. „Erst danach können wir uns zur weiteren Zusammenarbeit mit dem Tierschutzverein verbindlich äußern“, sagt Petri.

Im Notfall müssten andere Heime die Tiere aufnehmen

Die Verantwortlichen des Tierheims hoffen nun auf die Unterstützung der Stadt und auf die Hilfe von Firmen und privaten Spendern. Wenn diese Hilfe nicht schnell komme, so Schmidt-Straube, „müssten wir einen Hilferuf an andere Tierheime richten, damit sie unsere Tiere aufnehmen. Aber daran will ich gar nicht denken“.