Sylvia und Recep Mermer füttern 19 frei lebende Samtpfoten auf ihrem Stückle durch. Die Stadt fürchtet um Naturschutz und die Rebhühner.

Fellbach - Wenn Recep Mermer mit dem Beutel voller Hühnerfleisch dasteht, kommt Bewegung in den Garten. Von überall her flitzen plötzlich Katzen herbei. Bis eben haben sie in Baumhütten oder im Gebüsch gemütlich vor sich hingedöst, jetzt betteln „Paule“, „Bobby“, „Sammy“, „Maja“ und ihre 15 Mitesser um einen Leckerbissen. Seit zwölf Jahren versorgen der 59-Jährige und seine Frau Sylvia (53) die Streuner auf Samtpfoten. Mittlerweile sind es 19 wilde Katzen, die sie täglich füttern. Der Stadtverwaltung ist die „Katzenhaltung“ indes ein Dorn im Auge.

 

Dieser Tage kam ein Brief vom Fell-bacher Bauamt, in dem das Ehepaar auf-gefordert wird, „die Katzenhaltung im Hinblick auf die baurechtliche Unzulässigkeit und die potenziell schädlichen Auswirkungen auf die Rebhuhnpopulation bis zum Jahresende vollständig aufzugeben.“ Falls Sylvia und Recep Mermer der Aufforderung nicht nachkommen, werde der „Erlass einer schriftlichen Anordnung geprüft“.

Nur wenn eine Katze ernsthaft krank ist, nehmen sie den Patienten zu sich nach Hause mit

Denn die Stadt hält die streunenden Pfotentiere für „eine mögliche Rebhuhnpopulation“ für problematisch. „Zwar gibt es in diesem Bereich keine Rebhühner mehr. Aus Sicht der die Stadt beratenden Tierökologen ist es aber denkbar, dass die Katzenhaltung zumindest teilweise für den Bestandsrückgang verantwortlich ist“, heißt es in dem amtlichen Schreiben.

„Wir halten keine Katzen, sondern betreuen eine Futter- und Pflegestelle“, erklärt Sylvia Mermer. Wer bei ihnen im 1200 Quadratmeter großen Stückle im Gewann Rötelstein zwischen Oeffingen und Aldingen hungrig und durstig vorbeikomme, werde versorgt. „Wir würden auch Rebhühner füttern, wie jedes andere Tier. Aber die gibt es hier nicht.“ Also geben sie Monat für Monat rund 500 Euro an Futterkosten für die Streunerkatzen aus und bringen kranke Tiere zum Tierarzt. „Dort bezahlen wir nichts, weil man in der Praxis weiß, dass wir Tiernothilfe leisten und kein eigenes Tier besitzen.“ Nur wenn eine Katze ernsthaft krank ist, nehmen sie den Patienten zu sich nach Hause mit.

Schlaf- und Unterschlupfplätze sind mit Kissen, Spielzeug und Lichterketten ausgestattet

„Wohin sollen wir die Katzen bringen, wenn sie hier nicht mehr bleiben dürfen? Was sollen wir mit ihnen machen?“, fragt Recep Mermer. „Sollen wir sie schlachten? Dann lege ich mich aber gleich daneben.“ Die Schlaf- und Unterschlupfplätze, von der Stadt Fellbach als „unzulässige Baulichkeiten lediglich widerruflich geduldet“, hat er eigenhändig gebaut. Sie sind mit weichen Kissen ausgestattet, mit Spielzeug und kleinen Lichterketten. „Das sieht nachts schön aus“, sagt Recep Mermer.

Als das Ehepaar den Garten kaufte, waren schon wilde Katzen da. Mittlerweile haben die Mermers alle Miezen auf ihre Kosten kastrieren und impfen lassen. „Wir haben sie mit Lebendfallen gefangen und zum Tierarzt gebracht. Hätten wir uns nicht gekümmert, gäbe es wohl nicht 19 Katzen, sondern hunderte“, sagt Sylvia Mermer. Anders als ausgesetzte Hauskatzen, die oft ums Überleben kämpfen, sehen die Miezen im Garten wohlgenährt aus.

Seitdem sie die Katzen versorgen, ist das Ehepaar nicht mehr im Urlaub gewesen. Statt in ein neues Auto zu investieren, wird das Geld lieber in die Samtpfoten gesteckt. „Unsere Katzen sind unsere Kinder“, sagt Recep Mermer. Für ihn und seine Frau ist klar, dass sie ihr Streunerkatzen-Paradies nicht aufgeben werden. „Für uns ist das Wichtigste, dass es den Katzen gut geht“, ergänzt seine Frau – und redet von Tierschutz. Warum der nicht mehr geduldet werden soll, darüber können sie nur spekulieren. „Vielleicht wollen die Bauern hier auch Mais anpflanzen, aber wir geben weder die Katzen noch den Garten auf.“

Von der Stadt Fellbach ist auf die Frage, weshalb das Rathaus plötzlich auf ein Ende des seit Jahren existierenden Futteridylls drängt, am Donnerstag und Freitag keine Antwort zu erhalten. Auch eine Stellungnahme des beratenden Tierökologen über die Auswirkungen des selbst geschaffenen Katzenparadieses für die Tierwelt in der Nachbarschaft liegt bisher nicht vor.