Aus einem toten Tier ein lebendig wirkendes Ausstellungsstück zu schaffen, ist für Präparatoren eine echte Herausforderung. In Berlin im Musem für Naturkunde sind fasznierende Nachbildungen zu sehen.

Stuttgart - Er ist wieder da. Knut sitzt so entspannt auf seinem Felsen und schaut in die Gegend, dass man sich unwillkürlich an alte Zoo-Zeiten erinnert fühlt. Nur aufstehen wird er nicht mehr. Denn sein Körper besteht aus Kunststoffschaum, dem Original-Fell und Glasaugen. Der Eisbär ist einer der Stars der neuen Ausstellung, in der das Berliner Museum für Naturkunde Highlights der Präparationskunst präsentiert. Dort treffen Besucher nicht nur auf tierische Prominente wie Knut oder den Gorilla Bobby, der 1935 im Zoo der Hauptstadt starb. Auch den verschiedensten namenlosen Vierbeinern und Vögeln haben Präparatoren im Laufe der Jahrzehnte so viel scheinbare Lebendigkeit eingehaucht, dass man beinahe mit einem Schnauben oder Krächzen rechnet. Vielleicht auch nur mit einem zuckenden Ohr oder einem kleinen Blinzeln. Auch nach ihrem Tod erzählen lebensecht präparierten Tiere von den Eigenheiten ihrer Art.

 

Natürlich ist bei weitem nicht jedes Präparat im Naturkundemuseum ein solches Schmuckstück. Hinter den Kulissen lagern ganze Serien von Elefantenschädeln und Flusspferdknochen, die noch aus Kolonialzeiten stammen. Schränke hängen voller gegerbter Häute von großen Säugetieren, Regal um Regal reihen sich Gläser mit in Alkohol eingelegten Fischen. Und es gibt unzählige kleine Säugetiere und Vögel, die in Einheitspose auf dem Rücken liegen – und eindeutig tot aussehen. „Bei solchen wissenschaftlichen Sammlungen geht es ja nicht darum, die Tiere möglichst lebendig wirken zu lassen“, sagt Robert Stein, einer der fünf Wirbeltier-Präparatoren des Museums. Für Forschungszwecke genügt es Genetikern, Ökologen oder Evolutionsbiologen, wenn sie die Überreste in möglichst unversehrtem Zustand vorfinden.

Bei einem Ausstellungsstück sieht die Sache allerdings anders aus. Das soll die Besucher schließlich faszinieren und am besten gleich auch noch für den Schutz seiner noch lebenden Artgenossen und seines Lebensraumes werben. Das kann durchaus funktionieren, weiß Robert Stein aus Erfahrung: „Die Leute wissen gute Präparate durchaus zu schätzen“. Wer so eine Wirkung erzielen will, muss allerdings sehr viel Arbeit in die Exponate stecken.

Um einen Eindruck von der bunten Welt der Korallenriffe zu vermitteln, haben die Berliner Präparatoren zum Beispiel ein kunstvolles Ensemble aus rund 400 einzelnen Objekten zusammengesetzt. In einen Felsen aus Kunststoff haben sie Korallen aus Sammlungsbeständen eingepasst, die von einer Expedition nach Kuba stammen. Dazu mussten die Museumsmitarbeiter allerdings erst einmal etliche Bilder von echten Riffen analysieren. Welche Korallenarten wachsen dort an welchen Stellen? Darüber muss man sich erst einmal Klarheit verschaffen.

Als nächstes galt es dann, die Kunstwelt mit einer bunten Vielfalt von Schnecken, Muscheln und Fischen zu bevölkern. Vom Stand des Fisch-Informationszentrums auf der Grünen Woche hat das Museums-Team für dieses Projekt eine Kollektion von frischen Zackenbarschen, Papageifischen und anderen Riffbewohnern bekommen. Jedes dieser Tiere haben die Präparatoren in einen Sandkasten gelegt, auf eine Körperseite Silikon aufgetragen und dieses nach dem Trockenen mit Gips umhüllt. Nach der gleichen Prozedur auf der anderen Seite hatten sie eine hohle Form in Händen, die sie dann mit Epoxid-Harz ausgießen konnten. Mit einer Spritzpistole haben sie dem fertigen Fisch schließlich noch den richtigen Anstrich verpasst.

Keine langweiligen Präsentationen

„In diesem Fall war die Herausforderung, die Vielfalt der Riffbewohner darzustellen“, erklärt Robert Stein. Bei anderen Exponaten geht es dagegen mehr um die Komplexität des tierischen Verhaltens. So wie bei den beiden leuchtend blauen Hyazinth-Aras, in die der Präparator mehrere hundert Stunden Arbeit gesteckt hat. Der Hobby-Ornithologe geht oft in den Zoo, um Vögel zu beobachten. Gerade Papageien faszinieren ihn mit ihren Kletterkünsten und ihrer Verspieltheit. Warum sie also nur langweilig dahockend präsentieren? Robert Steins Hyazinth-Aras turnen stattdessen auf einem Ast herum, der eine hält die Schwanzfeder des anderen im Schnabel.

In wieder anderen Fällen sind die Schwierigkeiten für die Präparatoren eher anatomischer Natur. Zum Beispiel, wenn sich eine Art nur in nackte Haut hüllt. „Die Anatomie muss immer stimmen, sonst wirkt ein Präparat nicht echt“, betont Robert Stein. Doch unter einem Fell oder Federkleid lassen sich kleine Problemzonen einfach besser kaschieren. Zudem neigt konservierte Haut dazu, sich bei Temperaturschwankungen zu verziehen, zu reißen und unansehnlich zu werden. Auch das lässt sich allerdings verhindern.

Dazu entnehmen die Experten dem jeweiligen Tier zunächst die Organe, verstärken sein Skelett mit Metallstützen und härten seine Muskeln mit Formalin. Dann versenken sie den gesamten Körper in einem Bad aus Polyethylenglycol. Diese wachsartige Verbindung dringt in die Zellen ein und ersetzt dort das Wasser, so dass die Haut nicht mehr schrumpfen kann. Große Reptilien wie einen Komodo-Waran oder eine Seychellen-Riesenschildkröte hat das Team auf diese Weise ebenso präpariert wie Mäuse oder nackte Vogelküken.

Schon vor der Erfindung solcher Spezialverfahren wollten Museen allerdings nicht nur behaarte oder gefiederte Kandidaten in ihren Sammlungen haben. Die Ausstellung zeigt daher auch, wie die Präparatoren früherer Jahrzehnte die Hautprobleme ihrer Schützlinge gelöst haben. Bei einem Flusspferd aus den Dreißigerjahren haben sie zum Beispiel zunächst eine Form hergestellt, dann die Haut darüber zogen und von dem Ganzen einen Abguss aus unempfindlichem Gips angefertigt. Vom Original-Flusspferd sind nur Barthaare und Zähne erhalten.

Die beiden Präparatoren Karl Kaestner und Gerhard Schröder setzten dagegen schon in den Dreißigerjahren auf ein ähnliches Prinzip wie ihre heutigen Kollegen: Sie entwickelten eine Technik, bei der man die im Zellgewebe eingelagerte Flüssigkeit durch das feste Paraffin ersetzt und so die Haut am Schrumpeln hindert. Wie gut das gelungen ist, zeigt das unbehaarte und trotzdem immer noch sehr ausdrucksvolle Gesicht des Zoo-Gorillas Bobby.

Überhaupt gilt dieses Ausstellungsstück als ein Meisterwerk der Präparationskunst, das auch heutigen Ansprüchen problemlos standhalten kann. Es handelt sich um eine sogenannte Dermoplastik, bei der ein künstlich geschaffener Körper mit dem Original-Fell überzogen wird. „Wir haben heute natürlich modernere Materialien wie Kunststoffe und Sekundenkleber zur Verfügung“, sagt Stein. „Der Grundaufbau aber ist bei Bobby genauso wie bei Knut“.

In beiden Fällen sind die Präparatoren vom Skelett ausgegangen und haben darauf zunächst den Körper aus Ton modelliert. Von diesem Modell haben sie dann eine hohle Negativform aus Gips angefertigt und diese mit dem Material für den endgültigen Körper gefüllt. Bei Bobby war das ebenfalls Gips, Knuts Innenleben dagegen besteht aus einem Polyurethan-Schaum. „Dieses Material ist wesentlich leichter als Gips“, erklärt Stein. Wenn der Eisbär in der Ausstellung mal an einen anderen Platz soll, ist das daher wesentlich einfacher zu bewerkstelligen als beim viel schwereren Gorilla. Die weiteren Schritte waren dann bei beiden Dermoplastiken wieder gleich: Die gegerbte Haut aufziehen und mit geschickt verborgenen Nähten fixieren, die Glasaugen einsetzen und vielleicht das Fell noch ein bisschen aufföhnen – fertig.

„Ob man ein wirklich tolles Präparat schaffen kann, hängt natürlich vom Zustand des toten Tieres ab“, erläutert Robert Stein. Wichtig ist dabei einerseits, dass der Kadaver möglichst frisch ist. Hat ein Greifvogel schon einen heißen Sommertag lang am Straßenrand gelegen, fallen ihm die Federn aus und die Verdauungssäfte beginnen, den Körper zu zersetzen. Dagegen ist dann auch der geschickteste Präparator machtlos.

Zudem ist auch schon im lebenden Zustand nicht jedes Tier gleich attraktiv. Knut zum Beispiel war zum Zeitpunkt seines Todes gerade im Übergangsstadium vom kleinen Knuddelbären zum kräftigen Erwachsenen. Und wie das bei Heranwachsenden so ist, hatte er da nicht die vorteilhafteste Figur. Wegen des Frühjahrs-Fellwechsels hüllte er sich zudem in einen recht kurzen Pelz. Deshalb wirkt der präparierte Bär ein bisschen hager, nicht unbedingt ein Prachtexemplar seiner Art. Doch darauf wird es vielen Besuchern auch nicht ankommen. „Gerade bei so bekannten Tieren müssen wir versuchen, die Persönlichkeit einzufangen“, sagt Robert Stein. „Die Leute wollen ja nicht irgendeinen x-beliebigen Eisbären sehen“. Sondern „ihren“ Knut.