Tierschützer kritisieren, dass Taubenabwehrgitter immer wieder zur tödlichen Falle für die Vögel werden, die dahinter vergessen werden. In Vaihingen wurde eine Verkleidung an einer Eisenbahnunterführung deswegen wieder geöffnet.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - An der Bahnunterführung geht es zu wie im Taubenschlag, wenn Thomas Porada und seine Mitstreiter nach dem Rechten sehen. Er hat sich die Rettung eingesperrter Tauben zur Aufgabe gemacht. Das Team wird dann aktiv, wenn Firmen Taubenabwehrgitter anbringen und dabei Tiere übersehen, die in Nischen sitzen. Kaum steht er zusammen mit den Esslinger Taubenschutzbeauftragten Horst Müller und Monika Elser, langjährige Mitarbeiterin beim Tiernotdienst der Stadt, an der Bahnunterführung der Liebknechtstraße in Vaihingen und blickt zu den dort umherflatternden Tauben hinauf, bleiben Passanten stehten und Anwohner eilen hinzu. Und schon ist eine Diskussion im Gange: Was tun?

 

Die Anwohnerin schimpft: „Es ist eine Riesensauerei, die Tiere müssen weg“, und wähnt sich zunächst militanten Tierschützern gegenüber, die sich ihrer Ansicht nach für falsch verstandene Tierrechte einsetzen. „Sie haben recht, das geht so nicht, die Tauben müssen da weg“, sagt Thomas Porada, sehr zum Erstaunen der Anwohnerin. Dann erklärt er, und die vermeintlichen Kontrahenten finden zueinander. Immer wieder beobachte er seit mehr als 15 Jahren, dass Taubenabwehrgitter oder wie im Fall der Vaihinger Brücke, Abwehrbleche an Bauwerken angebracht werden, hinter denen einzelne Vögel dann gefangen sitzen. „Die verenden elend“, erläutert der Tierschützer. „Das soll natürlich nicht sein“, pflichtet ihm die Vaihingerin schließlich bei, die Überzeugungsarbeit ist geglückt.

Anwohner zeigen Verständnis für Anliegen der Tierschützer

In Vaihingen seien Tiere hinter den im Winter angebrachten Blechen gesehen worden. Daraufhin wurde der städtische Tiernotdienst verständigt, der gemeinsam mit der Feuerwehr die Bleche wieder öffnete. „Das haben wir etwa fünf mal im Jahr“, bestätigt Hans-Jörg Longin vom städtischen Vollzugsdienst. Das sind jedoch nur die Einsätze, bei denen sich besorgte Bürger mit gesichteten, eingesperrten Tauben an die Stadtverwaltung wenden. „Wir haben viel mehr“, sagt Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer, die ehrenamtliche Taubenbeauftragte der Stadt. Allein im ersten Quartal des Jahres 2015 habe sie schon mehr als zehn solcher Einsätze gehabt. Meist helfe ihr dabei die Feuerwehr, der sie viel Lob zuteil werden lässt: „Ich habe da schon viele zauberhafte Einsätze erlebt.“

In Vaihingen an der Brücke ist nun zwar die Lebensgefahr für eingesperrte Vögel gebannt, aber das Problem nicht gelöst: Die aufgebogenen und abgeschraubten Bleche bieten den Tauben neue Einflugschneisen und darunter häuft sich naturgemäß der Kot. „Es soll wieder zugemacht werden, aber vorher müssen natürlich alle Vögel raus“, sagt Porada. Er sei auch bereit, Jungvögel aufzuziehen und später an Orten freizulassen, wo sie nicht stören.

Taubenbeauftragte fordert 20 Taubenschläge für die Stadt

Die Stadt setzt seit knapp sieben Jahren auf sanfte Methoden, um den Taubenbestand zu dezimieren. Stadt, Tierschutzverein und Caritas kümmern sich gemeinsam um acht Taubenschläge. Für den am Bahnhof vor kurzem wegen S-21-Bauarbeiten weggefallenen Standort konnte nun ein neuer auf einem Gebäude an der Kriegsbergstraße gefunden werden. Die Helfer tauschen die Eier in den Taubenhäusern gegen Gipseier aus, sodass es weniger Nachwuchs gibt. „Früher wurden Tauben in der Stadt vergiftet, das darf ja in einer Gesellschaft, der es gut geht, nicht sein“, sagt Brucklacher-Gunzenhäußer. „Wir Menschen haben die Tiere schließlich selbst so gezüchtet.“

Die Tierschützerin ist zwar zufrieden, dass die Landeshauptstadt auf die sanfte Eier-Klau-Methode setzt. Es könnte aber noch besser sein, fügt sie hinzu: „Mit zwanzig Taubenschlägen über das Stadtgebiet verteilt, könnte man den Bestand um zwei Drittel reduzieren“, sagt sie. Doch dahinter stecke jede Menge Arbeit.