In Stuttgart kommt der Aufbau von Taubenschlägen nicht voran. Andernorts ist er längst erledigt – samt dem Problem mit den lästigen Vögeln.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Doch, den Antrag kennt er gut, sagt Stephan Quadt, „ich habe ihn geschrieben“. Was bemerkenswert ist, denn Quadt ist Sozialdemokrat und inzwischen altershalber ohne Amt. Jenen Antrag haben hingegen die Grünen eingereicht. Sie fragen in ihm, warum es nicht vorangeht mit dem Aufbau neuer Taubenschläge in der Innenstadt. Dass „das Thema im Argen liegt“, leugnet nicht einmal Dorothea Koller, die Leiterin des Ordnungsamts. Sie ist im Rathaus die oberste Zuständige gegen die Taubenplage.

 

Quadt war und ist die Taube „eine Herzensangelegenheit“, genauso wie für Silvie Brucklacher-Gunzenhäuser vom Tierschutzverein. Sie hat den von Quadt formulierten Fragenkatalog an die Grünen weitergereicht. Beide gehören zu einem Kreis, der sich im Ehrenamt um die derzeit sechs Schläge im und ums Zentrum kümmert. Mit 20 Schlägen im Talkessel, so schätzt es Brucklacher-Gunzenhäuser, wäre aller Ärger um die lästigen Vögel Vergangenheit. Die Tauben werden dort gefüttert. Außerdem stibitzen die Freiwilligen ihnen die Eier. So suchen die Vögel sich keine Nahrung auf den Plätzen der Stadt, und auf Dauer verringert sich ihre Zahl.

Zeitweise war eigens ein Taubenbeauftragter engagiert

Diese Ziele heißt jeder im und so gut wie jeder außerhalb des Rathauses gut. Trotzdem schwinden die Taubenschläge. Einer im Hauptbahnhof ist wegen der S 21-Arbeiten abgebaut worden. Der nächste – auf dem Dach der Rathausgarage – wird weichen, wenn deren Abriss beginnt. Ersatz dafür ist nicht in Sicht, schon gar kein zusätzlicher Taubenschlag. Quadts Meinung nach, „weil bei der Stadt keinerlei Bemühen da ist, Standorte zu suchen“. Zeitweise war eigens ein Taubenbeauftragter engagiert. Einziger Effekt seines Wirkens war laut Quadt, „dass er zu ein paar Besprechungen kam“. Ansonsten sind alle Vorschläge für neue Standorte gescheitert: zu aufwendig, statische Probleme, Einspruch der Nachbarschaft. Dies waren stets die Gegenargumente – an die Quadt nicht glaubt, „weil es in anderen Städten diese Probleme nicht gibt“.

Beispielsweise in Esslingen. Dort bemüht sich Dagmar Jansen von Amts wegen im Rathaus und der Tierschutzverein im Ehrenamt um die Tiere. Vor bald 15 Jahren wurde der erste Taubenschlag zum Schutz der historischen Altstadt eingeweiht. Inzwischen sind es vier. Im Jahr 2005 überreichte der damalige Minister Peter Hauk Jansen für das Projekt den Tierschutzpreis des Landes. Anfangs „war die Standortsuche schwierig“, sagt sie. Weshalb eben die Stadt ihre Häuser zur Verfügung stellte.

In Esslingen sind die Stuttgarter Probleme unbekannt

Etwa 7000 Euro kostete der Aufbau jedes Schlages, meist nicht auf den Dächern, sondern einfach im Dachboden. Statische Probleme gab es nie. Eigentlich „gibt es gar keine Probleme mehr“, sagt Jansen – sondern Erfolge. Gemäß Zählung hat sich die Zahl der Tauben in der Stadt halbiert. Weil die Tiere meist in oder vor den Schlägen hocken, können circa 80 Prozent ihres Kotes mühelos entsorgt werden. Vor allem „betteln sie nicht mehr“, sagt Jansen. Aufdringliche Tauben, wie sie im Zentrum Stuttgarts auf jedem Imbisstisch sitzen, „tun das nur aus Not, die haben eben Hunger“. Längst berät Jansen andere Städte.

Nach Wien war sie im vergangenen Jahr eingeladen. Demnächst reist sie nach Berlin. Insgesamt schätzt die Beamtin ihren Zeitaufwand für die Taube auf „eine halbe oder eine Stunde pro Woche“. Selbstverständlich hat sie weitere Aufgaben.

In Stuttgart wird das Thema amtlicher angegangen. Der Gemeinderat hat für neue Schläge 60 000 Euro genehmigt – pro Jahr, plus Betriebskosten. Am Gelde gemessen, könnten jene 20 Taubenschläge also längst in Betrieb sein. Allerdings muss zuvor stets das Baurechtsamt seine Genehmigung erteilen. Deshalb stockte zuletzt der Aufbau eines neuen Schlages auf einem städtischen Haus an der Kriegsbergstraße.

Die Ordnungsamtschefin Koller reklamiert, dass ihr Personal fehlt, das Anfragen bearbeiten könnte. Dem Gemeinderat hat sie vorgeschlagen, vom Etat 43 000 Euro abzuzwacken, um eine Halbtagskraft für die Tauben einzustellen. Was die meisten Stadträte für erwägenswert halten. Über den Vorschlag soll während der nächsten Haushaltsberatungen entschieden werden. Heißt: in gut einem Jahr.