Hirnforscher Andreas Kreiter experimentiert seit Jahren mit Makaken, also Rhesusaffen wie am Tübinger Max-Planck-Institut. Das brachte ihm schon Morddrohungen ein – ein Grundsatzkonflikt zwischen Wissenschaftsfreiheit und Tierschutz.

Bremen - Andreas Kreiter (51) ist ein freundlicher Familienvater mit sanfter Stimme. Der Bremer Neurobiologe wirkt so, als könnte er keiner Fliege etwas antun. Aber Tierversuchsgegner halten ihn für einen „Affenfolterer“. Denn der Hirnforscher experimentiert seit Jahren mit Makaken, also Rhesusaffen wie am Tübinger Max-Planck-Institut. Das brachte ihm schon Morddrohungen ein; er wurde samt Familie zeitweise unter Polizeischutz gestellt.

 

Wie sehr Kreiters Team den Affen tatsächlich Leid zufügt, darüber wird schon seit Jahren gestritten. 1997 unterzeichneten mehr als 35 000 Bremer einen Bürgerantrag gegen die damals gerade frisch beantragten Makaken-Experimente. Zunächst vergeblich: 1998 erteilte die Tierschutzbehörde des Bremer Senats dem Uniprofessor die nötige Versuchsgenehmigung. Aber als die Proteste weitergingen, beschloss 2007 das Bremer Parlament einstimmig einen „geordneten Ausstieg“ aus der Affenhirnforschung. Inzwischen konnten sich die Gegner nämlich auf eine Änderung des Grundgesetzes berufen: Dort ist seit 2002 nicht mehr nur die Wissenschaftsfreiheit verankert, sondern auch der Tierschutz.

Sind Schmerzen der Versuchstiere ethisch vertretbar?

Fragt sich nur, was im konkreten Fall Vorrang hat. Laut Tierschutzgesetz sind Versuche mit Wirbeltieren lediglich erlaubt, „wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind“. Aber was heißt das konkret? Dürfen Forscher den Affen unter Narkose ein Loch in die Schädeldecke fräsen, ihnen einen Bolzen auf den Kopf zementieren, sie damit in einem „Primatenstuhl“ aus Plexiglas fixieren, ihnen haarfeine Elektroden schmerzfrei ins Gehirn schieben, sie stundenlang Wahrnehmungsaufgaben am Bildschirm lösen lassen, ihnen für das Messen von Augenbewegungen einen feinen Goldring unter der Bindehaut einsetzen, sie vor den Versuchen stundenlang dürsten lassen und ihnen erst beim Lösen der Aufgaben etwas Saft spendieren? Ist das alles ethisch gerechtfertigt, weil Kreiters Team dadurch neues Grundlagenwissen über Gehirnfunktionen gewinnen will: Wissen, das später vielleicht genutzt werden kann, um Epilepsie zu behandeln oder um mit drahtlos empfangenen Hirnsignalen Armprothesen zu steuern?

Die Wissenschaft stellte sich hinter Hirnforscher Kreiter

Nein, meinte 2008 die Behörde und stützte sich dabei auf einen Berliner Tierschutzprofessor, der die Belastungen für die zwei Dutzend Makaken als so erheblich einschätzte, dass die Versuche nicht mehr zu verantworten seien – egal, welchen Nutzen sie für den Menschen bringen könnten. Doch Kreiter zog gegen die Behörde vor Gericht. Und er bekam Recht, in allen Instanzen. Zuletzt bestätigte Ende Januar das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen von 2012, wonach die Versuche „ethisch vertretbar“ seien und deshalb genehmigt werden müssten.

Fundamentalistische Tierschützer fanden sich damit nicht ab, sondern starteten eine bundesweite Anzeigenkampagne. In ganzseitigen Zeitungsannoncen stellten sie Kreiter als „professionellen Tierquäler“ hin und zitierten einen Spruch, wonach Tierexperimentatoren „Wesen besonderer Art“ seien – „man sollte sie nicht leichtfertig Menschen nennen“. Nicht nur der Geschmähte und seine Universitätsleitung reagierten entsetzt, auch die großen deutschen Wissenschaftsorganisationen stellten sich geschlossen hinter den Forscher. Der experimentiert jetzt unbeirrt weiter, wie schon seit Jahren hinter mannshohen Gitterzäunen mit Videobewachung, zum Schutz vor Übergriffen militanter Tierfreunde.