Wer Tierversuche ablehnt, sollte sich auch gegen den Fleischkonsum wenden, denn in der Massentierhaltung gibt es viele Probleme. Aber dadurch fühlen sich viele bevormundet. Einen Versuchsstopp zu fordern, ist da leichter, kommentiert Alexander Mäder.

Stuttgart - Die Wissenschaftler der Max-Planck-Institute werden in erster Linie für ihre Forschung bezahlt. Sie sollen zur internationalen Spitzengruppe zählen, so lautet ihr Auftrag. Aber sie werden aus Steuern finanziert und sind daher auch der öffentlichen Debatte verpflichtet. Sie müssen zum Beispiel begründen, warum sie neurologische Experimente an Affen für unentbehrlich halten. Das Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik hat vor einigen Jahren eine Website eingerichtet, auf der es die Tierversuche erläutert. Und als die Organisation Soko Tierschutz Aufnahmen aus dem Tübinger Tierlabor veröffentlichte, haben die Forscher ein Gutachten in Auftrag gegeben und Stellungnahmen veröffentlicht.

 

Das ist noch kein wirklicher Dialog. Man kann aber verstehen, dass sich die Forscher zurückhalten, weil sie im aufgeheizten Gesprächsklima keine Chance für eine sachliche Diskussion sehen. Sie berichten von Beleidigungen und Drohungen gegen sich und ihre Familien, also von kriminellen Angriffen im Schutz der Anonymität. Die Soko Tierschutz distanziert sich davon nur halbherzig. In einer Zeitungsanzeige schrieb sie von „skrupellosen Medizin-Technokraten“ und einem „Verbrechen an Wehrlosen“. Das lässt kein Interesse an einem Dialog erkennen.

Bei Nutztieren ist die Situation „eher unbefriedigend“

Die Behörden prüfen derzeit die Tübinger Experimente und Labors. Was, wenn sie nichts finden und bestätigen müssen, dass die Versuche ordnungsgemäß beantragt, genehmigt und durchgeführt worden sind? Damit ist zu rechnen. Zwar ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert worden, und das Forschungsministerium fördert die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen. Aber das Tierschutzgesetz erlaubt Tierversuche in der Grundlagenforschung, außerdem für die „Vorbeugung, Erkennung oder Behandlung von Krankheiten“ sowie für Tests von Arznei- und Lebensmitteln. In Deutschland werden rund 2000 Affen im Jahr für Experimente verwendet, hinzu kommen, um nur einige zu nennen, 6000 Rinder, 13 000 Schweine und zwei Millionen Mäuse.

Manche Tierschützer wenden sich nicht nur gegen Tierversuche, sondern auch gegen die Massentierhaltung. Ihre Konsequenz ist bewundernswert, aber die Position hat in der öffentlichen Debatte – zumindest noch – keine Chance. Man muss nur an den Aufschrei nach dem Vorschlag eines Veggie Days denken, um das zu erkennen. Dabei gäbe es viel zu tun. In Deutschland werden jährlich 3,6 Millionen Rinder und fast 60 Millionen Schweine geschlachtet. Der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik der Bundesregierung berichtet in einem Gutachten von einer „Vielzahl von Tierschutzproblemen in allen Bereichen der Nutztierhaltung“ und von einer „im Durchschnitt eher unbefriedigenden Situation“ in den Betrieben.

Die Soko Tierschutz hat sich eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern als Zielscheibe ausgesucht, bei der sie zu punkten hofft. Die neurologische Grundlagenforschung ist für viele Menschen weit weg, der Nutzen nicht direkt zu erkennen. Dort Nein zu sagen fällt leichter, als sich beim Fleischkonsum einzuschränken. Dabei geht es auch in diesem Fall um eine Abwägung: Dem Nutzen für den Menschen steht das Leid der Tiere gegenüber. Wenn mehr Menschen bereit wären, offen darüber zu reden, wäre auch eine sachlichere Diskussion über Tierversuche möglich.