Til Schweiger spielt wieder den „Tatort“-Kommissar Nick Tschiller, diesmal im Kino. „Tschiller: Off Duty“ bietet harte Action, tolle Stunts, grandiose Bilder und eine Prise Ironie.

Stuttgart - Wenn der beurlaubte Kommissar Nick Tschiller und sein offenbar gerade spontan urlaubender Kollege Yalcin Gümer (Fahri Yardim) nicht gerade blutüberströmt darüber flachsen, wer von den beiden denn nun der beste Polizist Hamburgs sei, dann wird in diesem Film vor allem türkisch und russisch gesprochen. Denn „Tschiller: Off Duty“ spielt zunächst in Istanbul, später in Moskau. In beiden Metropolen jagt Tschiller seiner entführten Tochter hinterher, aber zum Glück wird seine Sprache international verstanden. Sie besteht im wesentlichen aus fliegenden Fäusten, feuernden Pistolen und diesem Schweiger’schen Entschlossenheitsblick, in dem sich Wut und Verzweiflung auf ziemlich eigenständige Weise vermischen.

 

Fäuste, Knarren und Verfolgungsjagd

Ob Til Schweiger, der Hauptdarsteller dieser „Tatort“-Adaption fürs Kino, noch weitere Blicke drauf hat, ist für das Gelingen des Projekts nicht entscheidend: Denn hier wird hartes, handfestes, handwerklich einwandfreies Action-Kino gemacht. Ausgezeichnete Maskenbildner waren im Einsatz, Hollywood-reife Stunts bekommt man zu sehen, und oft ist es spannend. Til Schweiger und seine Mannschaft (Regie: Christian Alvart) bekommen im Überrumpelungsverfahren das Kunststück hin, für das die geübten „James-Bond“-Macher viele Jahre und einen hoch konzentrierten Daniel Craig benötigt haben: die Rückführung des Actionkinos auf Fäuste, Knarren und die gute alte Verfolgungsjagd, gerne auch zu Fuß – Schmackes statt Schnickschnack, teils grandios in Szene gesetzt und gefilmt, etwa auf den Dachlandschaften Istanbuls.

Anders als James Bond allerdings verfügt Nick Tschiller nicht über die praktische Fähigkeit, jedwedes Fortbewegungsmittel ohne Einarbeitungszeit unfallfrei zu steuern. Im Gegenteil: mit dem Mähdrescher bringt er seine Mitstreiter auf einem russischen Acker beinahe um. Dennoch lobt eine von ihnen, eine zufällig aufgegabelte Straßenprostituierte: „Landmaschinen fährst du sääähr sääähr gut!“. Solchermaßen motiviert parkt unser Held das Vehikel später auf dem Roten Platz, was noch später zu Ärger führen wird. Und ja: dieser Film gönnt sich bei allem Geballer die feine Prise Ironie, die man nach den „Tschiller-Tatorten“ in der ARD nicht unbedingt erwartet hätte.

In James-Bond-Manier kümmert er sich um die Bombe

Diese Ironie überrascht umso mehr, als die Handlung diesmal noch an Dramatik gewonnen hat: Tschillers Tochter Lenny (gespielt von Schweigers Tochter Luna) fliegt nach Istanbul, um ihre erschossene Mutter zu rächen. Als sie Firat Astan (Erdal Yildiz) bald darauf gegenübersteht, überwältigt der Gangster das in Schießangelegenheiten unerfahrene Mädchen. Astans Boss, der Obergangster Süleyman Seker (Özgür Emre Yildirim), verschifft Tschillers Tochter daraufhin im Container nach Russland – zwecks Zwangsprostitution und Nierenraub, glaubt man zunächst.

Tatsächlich hat der skrupellose Seker, im Brotberuf Geheimagent mit willig um sich schießender Mannschaft, noch Schlimmeres mit dem Mädchen vor. Nur so viel sei verraten: Gegen Ende muss sich Tschiller in bester James-Bond-Manier um eine Bombe kümmern. Allerdings kommt erschwerend hinzu, dass der medizinisch wenig beschlagene Kommissar diesen Sprengsatz zunächst aus einem lebenden Menschen herausoperieren muss, der ihm sehr nahe steht.

Ob dieser Eingriff gelingt – das ist eine der Fragen, aus denen dieser Film seine Spannung bezieht. Die Frage, ob der Film als solcher gelingt, ist indes nicht so einfach zu beantworten. Warum nur, fragt man sich, wirkt es meistens bemüht ungelenk, wenn Schweiger versucht, im Kugelhagel von „Tschiller: Off Duty“ en passant Botschaften zu vermitteln, vor allem politische. Aha, denkt man sich, wenn in Istanbul ergreifend ausführlich von einem verschleppten Journalisten die Rede ist. Aha, denkt man wieder, wenn Tschiller in Moskau seinem Kumpel an den Hintern greift und was von Homophobie faselt. Aha, da glaubt der deutsche Filmstar Schweiger, andernorts Demokratiedefizite geortet zu haben, und offenbar ist ihm sehr daran gelegen, sein waches Sensorium zur Schau zu stellen, egal ob es gerade in die Dramaturgie passt oder nicht.

Zum Affen machen

Diese Form von Eitelkeit versteht man nicht so recht, weil sie Til Schweiger in anderen Zusammenhängen ganz fremd zu sein scheint: Nicht nur, dass der Filmstar diesmal seinem Darstellerkollegen Fahri Yardim als Kumpelkommissar, augenfällig der wandlungsfähigere Schauspieler, einen wichtigeren Part zugesteht als in den Tschiller-„Tatorten“ – Til Schweiger macht sich auch umstandslos zum Affen, wenn es dem Film dienlich ist.

Er springt durch eine Wand, hüpft von Auto zu Auto, lässt sich verdreschen und taucht dann – einerseits stark blutend, andererseits offenbar unkaputtbar – wieder in Superhelden-Manier durchs Kugelbad. Der harte Retter und Rächer, den Schweiger verkörpert, entstammt offensichtlich einem vorpubertären Bubentraum, und niemand in diesem Film macht den Fehler zu versuchen, diese Herkunft zu verschleiern. Wozu auch – Schweigers filmgewordener Kindheitstraum unterhält über weite Strecken gut.

Der Held kann das ändern

Denn das alles geht im deutschen Sonntagskrimi ja nicht: der Auslandseinsatz mit gefälschten Papieren, das Aufschneiden lebender Menschen durch die Guten, der Verzicht auf jegliche Warnschüsse, weil die Mission Vernichtung lautet, nicht Verhaftung. In seinem neuen Actionspektakel entscheidet sich Til Schweiger für das Drama und gegen sämtliche Dienstvorschriften des deutschen Fernsehkrimis.

„Es sind zu viele“, so beschreibt einmal eine verbündete Hotelangestellte die Zahl der auf Nick Tschiller lauernden Gangster. „Das kann ich ändern“, entgegnet der Kommissar außer Dienst lakonisch. Nick Tschiller zieht sein Ding durch. Und Til Schweiger erst recht. Das muss man nicht mögen. Aber man darf anerkennen: dieser Filmermöglicher kann was. Und mehr noch, er traut sich, es einfach zu tun.