Die Zeugnisvergabe steht an: Eine Expertin hat uns verraten, wie Eltern auf die Zeugnisse ihres Nachwuchses richtig reagieren. Auch bei weniger guten Noten ist in den Sommerferien „Chillen“ statt Pauken angesagt.

Stuttgart - Kurz vor Beginn der Sommerferien haben Lehrer an Eltern im Südwesten appelliert, aus schlechten Zeugnissen kein Drama zu machen. „Für Eltern, die während des Schuljahres in Kontakt mit den Lehrern gestanden und sich laufend über Leistungen und Lernfortschritte ihres Kindes informiert haben, dürfte der Zeugnistag keine allzu großen Überraschungen bereithalten“, sagte ein Sprecher vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) am Dienstag in Stuttgart.

 

Wenn Eltern am Zeugnistag die Nerven verlören, komme das meist einem Bekenntnis gleich, dass sie sich zuvor zu wenig um die schulischen Belange ihres Kindes gekümmert hätten. Der Zeugnistag dürfe nicht zum „Gerichtstag“ werden. Auch wenn sich manche Eltern zu Recht Sorgen machten, sollten sie daran denken, dass gerade die weniger erfolgreichen Schüler auf die Unterstützung durch die Familie angewiesen seien, betonte der VBE. „Ganz gleich wie das Zeugnis auch ausgefallen sein mag, in den Sommerferien ist für die Schüler jetzt zunächst „Chillen“ statt Pauken angesagt.“

Die Korberin Anne E. Gruhl ist Lehrer- und Schülercoach und kennt genügend Kinder, denen beim Gedanken an die Zeugnisausgabe an diesem Mittwoch Angst und Bange ist. Auf den Schülern laste ein enormer Druck, „da reden oft nicht nur die Lehrer und Eltern, sondern auch noch die Großeltern mit.“

Manchmal sollen die Kinder besser als die Eltern sein

Gerade für die Verwandtschaft hat sie einige Tipps, wie sie auf die Zeugnisse reagieren sollten. „Ich habe irgendwann damit angefangen, meine eigenen Zeugnisse aus der betreffenden Jahrgangsstufe der Kinder anzuschauen. Da habe ich festgestellt, dass die Kinder meist besser waren. Das fanden sie natürlich toll“, sagt Anne E. Gruhn und lacht. Wer sich auf die Zeitreise begebe, solle sich zudem mal daran erinnern, ober sich als Schüler gerecht beurteilt fand und wie er sich gefühlt habe. „Erwachsene sollten sich mal überlegen, was sie sich damals von ihren eigenen Eltern gewünscht hätten und was ihnen gefehlt hat.“ Manchmal, so die Beraterin, müssten Kinder auch Leistungen bringen, die den Eltern selbst in ihrer Schülerzeit nicht gelungen seien.

Und auch wenn das Zeugnis tatsächlich nur aus mittleren bis schlechten Zensuren bestehe, „ist das keine Katastrophe. Es gibt viele, viele Menschen, die in der Schule nicht gut und später sehr erfolgreich im Beruf sind“, sagt sie. Eltern sollten versuchen, freundlich und mit einer gewissen Gelassenheit auf das Zeugnis der Kinder zu schauen: „Das Kind hat es so gut gemacht, wie es konnte.“ Nachsicht sei vor allem nötig, wenn sich der Nachwuchs in der Pubertät befinde: „Da ist der Kopf der Jugendlichen eine große Baustelle. Das wirkt sich auf die Noten aus“, sagt sie.

Würden die Kinder sitzenbleiben, sei auch das kein Beinbruch: „Neue Chance, neues Glück. Und die Wiederholung ist für das Kinderhirn auf jeden Fall gut“, sagt Gruhn, deren Kinder ebenfalls eine Ehrenrunde gedreht haben.

Die Ferien zum Ausspannen nutzen

Natürlich könne man sich als Eltern auf die Suche nach Nachhilfeangeboten machen, um den Kindern zu helfen. Aber in den Ferien sollte man den Schülern auf jeden Fall genügend Zeit zum Ausspannen lassen – und frühestens in den letzten zwei Ferienwochen damit anfangen: „Man selbst nimmt ja auch keine Tabellen oder Dokumente mit in den Urlaub. Das Gehirn der Kinder braucht eine Pause. Und sie sollten einfach einmal unbeschwert sein dürfen.“

Hilfreich sei eher, den Kindern in den Ferien zu anderen Erfolgserlebnissen zu verhelfen: „Familienspiele spielen, auf den Minigolfplatz gehen, zum Schwimmen. Einfach einmal Dinge als Familie gemeinsam unternehmen.“ Und manchmal würde dann auch erst ans Tageslicht kommen, was eigentlich wirklich hinter den schlechten Noten stecke. „Es gibt Kinder, die Ängste und Probleme haben, aber diese aus Scham unterdrücken.“