Tobias Borke steht als Freestyle-Rapper nicht nur deutschlandweit auf Bühnen, sondern auch vor Schulklassen und Managern. Bald startet seine neue Veranstaltungsreihe im Super Popular Sanchez.

Stuttgart - Tobias Borke hat etwas ganz Klassisches gemacht: aus der Not eine Tugend. Als kleiner Junge hat er einen Topf mit kochendem Wasser vom Herd gezogen. Er hat sich schwere Verbrennungen zugezogen, und damit ein Trauma in vielerlei Hinsicht. Da waren nicht nur die körperlichen Schmerzen, auch die seelischen, die spätestens auf dem Spielplatz begonnen haben. Kinder können grausam sein, wenn einer anders ist oder Narben hat, wie Tobias Borke. Doch statt sich hänseln zu lassen, hat Borke einfach angefangen zu quatschen. Hat die Geschichte seines Unfalls in immer neuen Variationen, in immer bunteren Farben erzählt. „Ich bin rhetorisch immer besser geworden“, sagt er und lacht. Obwohl er keiner der starken Jungs war, eher der „Körperklaus“, wie er sagt, durfte er von da an entscheiden, wo die Sandburg gebaut wurde. „Da habe ich gemerkt wie mächtig Sprache ist“, sagt er.

 

Dabei ist er bis heute geblieben, bei der Sprache und bei Geschichten. Er hat es damit im vergangenen Jahr sogar ins Kulturradio geschafft - und dort gekonnt das Wort „Hurensohn“ platziert. „Das haben die nicht raus geschnitten!“, sagt er begeistert. Doch auch wenn er Rapper ist, ist das eigentlich so gar nicht seine Ausdrucksweise.

"Ich war zu faul zum Schreiben"

Tobias Borke ist Freestyle-Rapper. Er steht damit nicht nur auf diversen Bühnen deutschlandweit sondern auch vor Schulklassen und Managern, um Workshops zu geben und in seine Kunst einzuführen. Angefangen hat alles mit Poetry Slam, zu dem ihn 1999 Timo Brunke gebracht hat. Ziemlich schnell hat er dort einige der vorderen Plätze belegt – dabei hat er etwas für die Kunstform Ungewöhnliches getan: er hat improvisiert. Eigentlich stehen die Poeten mit ausgefeilten Texten auf der Bühne, Tobias Borke hat raus gehauen, was ihm gerade in den Sinn gekommen ist.  „Ich war zu faul zum Schreiben“, sagt er lachend.

Ob ihm das Rappen und Improvisieren in die Wiege gelegt wurde? „Nein“, ist er sich sicher. An Talent glaube er nicht. Talentierte hätten einfach Spaß am Üben. Auch Freestyle müsse man lernen, sagt er.

Auf die Poetry-Slam-Auftritte sind andere als Freestyle-Rapper gefolgt, irgendwann sind die Workshops dazugekommen. Auch vom Goethe-Institut ist er eingeladen worden, war in Beirut, in Weißrussland und der Ukraine.

Die Texte sind oft politisch

Regelmäßig stand er auf der Bühne im Bix Jazzclub bei der Trijo Urban Session, die es seit Kurzem nicht mehr gibt. Mit Jazzband im Rücken und Pheel neben sich. Letzterer ist Beatboxer, Tobias Borke hat ihn kennengelernt als dieser gerade mal zwölf Jahre alt war. Heute sind sie meist gemeinsam unterwegs. Auch beim besagten Auftritt bei SWR2 waren sie zusammen zu Gast, in einer Sendung zum Thema Improvisation. Auch wenn sie 2014 im zehnten Jahr zusammen touren sagt Tobias Borke: „Ich bin regelmäßig baff, wenn ich mit ihm auf der Bühne stehe.“

Die Texte von Tobais Borke sind gerne politisch. Seine Meinung vertritt er vehement. Viel zu wenige würden dies heute noch tun, sagt er und: „Wir brauchen wieder mehr streitbare Künstler.“ Keine Prominenten, die bei Markus Lanz sitzen, um vom Dschungelcamp erzählen. Eher etwas, das an die Talkshows aus den 70er Jahren erinnert: „Da wurde geraucht, getrunken und respektvoll beleidigt.“

Vieles davon sei heute verloren gegangen. Wenn er vor eine Schulklasse tritt, sagt er, dann fragen ihn die Kids häufig als erstes was seine Air Max gekostet haben. Dann versucht er den Kindern Geschichte nahezubringen, vor allem die Geschichte des HipHop. Manchmal entzaubert er auch ein wenig die Welt der Kids, erzählt, welche vermeintlich so harten Rapper eigentlich aufs Gymnasium gingen und welche ihre Texte gar nicht selbst schreiben. Doch er versuche in den Workshops nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor den Jugendlichen zu stehen. „Die Schüler möchten sich nicht belehren lassen“, sagt er. Er zeige ihnen einfach, welche Rapper er mag, welche Botschaften er in den Texten hören möchte. „Ich zeige ihnen Alternativen“, sagt er.

Vor Managern mache er gar nicht so viel anders. Manchmal sei das gar kein großer Unterschied, ob er vor Managern oder vor einer Schulklasse steht, sagt er. Beide müssen etwas tun, was sie bisher noch nicht getan haben. Und in beiden Fällen gehe es um Autoriät.

Freestyle ist schwer aufzunehmen

Dieses Jahr soll seine erste EP erscheinen. Als Freestyle-Rapper ist das gar nicht so einfach seine Musik auf Platte zu pressen. „Eine Improvisation ist sehr intim, wer dich kennt, kann da sehr viel entschlüsseln. Ich brauche, um freestylen zu können, auf der Bühne eine ganz bestimmte Harmonie“, sagt er und fügt hinzu: „Da bin ich dann vielleicht ein bisschen divenhaft.“ Das, was dann entstehe, wenn alles passt, wenn Rapper, Beatboxer und die übrigen Musiker harmonieren, sei kaum konservierbar. Eher etwas für den Moment. „Gute Freestyle-Sessions sind schwer aufzunehmen“, sagt er.

Also schaut man ihm am besten live zu: Am 20. Februar startet seine neue Veranstaltung zusammen mit Pheel im Super Popular Sanchez. Die Party mit Auftritten von den beiden wird in Zukunft in regelmäßigen Abständen stattfinden. Eintritt wird es nicht kosten, es geht lediglich ein Spendenhut für die wechselnden Künstler rum. Schön früher, am Freitag, 14. Februar, haben die beiden einen Auftritt beim U-Turn im Universum.