Mit schwersten Hirnverletzungen entließ Nordkorea einen amerikanischen Studenten nach 15 Monaten aus der Haft. Nun ist er gestorben. Politiker in den USA fordern Konsequenzen.

Washington - Am Ende kehrte er nach Hause zurück, aber seine Heimat hat Otto Warmbier nicht mehr gesehen. Knapp eine Woche nach seiner Freilassung aus einem Arbeitslager in Nordkorea ist der 22-jährige US-Student, der monatelang im Wachkoma lag, am Montag in Cincinnati gestorben. „Die furchtbar qualvollen Misshandlungen, die unser Sohn in den Händen der Nordkoreaner erfahren hat, machten das traurige Ende unausweichlich“, erklärten die Eltern.

 

Damit endet eine Tragödie, die an finsterste Zeiten des Kalten Kriegs erinnert und den menschenverachtenden Zynismus des kommunistischen Regimes von Pjöngjang vorführt, das immer wieder versucht, US-Häftlinge als Faustpfand für politische Forderungen einzusetzen. Dieses Mal missglückte die Aktion offenbar. In den USA machen sich nun Wut und Entsetzen breit, Forderungen nach Konsequenzen werden lauter. Das wegen des nordkoreanischen Atomprogramms ohnehin miserable Verhältnis zwischen Washington und Pjöngjang steht vor einer Eiszeit.

„Otto Warmbier, ein amerikanischer Staatsbürger, wurde vom Regime von Kim Jong-un ermordet“, erklärte der republikanische Senator John McCain am Dienstag. „Die Vereinigten Staaten können und dürfen den Mord an seinen Bürgern durch feindliche Mächte nicht länger tolerieren“, forderte der Hardliner aus Arizona. Doch auch der demokratische Senator Benjamin L. Cardin verlangte, die Regierung in Pjöngjang müsse für ihr „barbarisches Verhalten verantwortlich gemacht werden“.

Trumps Erklärung klingt wie eine Bedrohung

US-Präsident Donald Trump hatte in einer ersten schriftlichen Stellungnahme „die Brutalität des nordkoreanischen Regimes“ verdammt. Doch dabei dürfte es kaum bleiben. Trumps Zusatz, Amerika sei in der Lage, damit umzugehen, klingt wie eine unbestimmte Drohung. Zunächst geht es darum, weitere dramatische Verhaftungen von US-Bürgern zu verhindern. Außenminister Rex Tillerson erwägt ein generelles Reiseverbot für US-Bürger in das kommunistische Land, in dem derzeit noch drei weitere Amerikaner in Haft sitzen.

Warmbier war Ende Dezember 2015 mit einer Reisegruppe von Peking nach Nordkorea gereist und wollte dort nur ein paar Tage über den Jahreswechsel verbringen. Kurz vor der Ausreise wurde er am Flughafen Pjöngjang wegen „feindlicher Aktivitäten“ festgenommen. Er soll in einem Hotel ein Propagandabanner gestohlen haben. Damit begann für den jungen Mann, der in den USA Wirtschaftswissenschaften studierte und von Bekannten als freundlich, neugierig und vielversprechend beschrieben wird, eine Zeit des Grauens. Im März 2016 wurde er in einem Scheinprozess zu 15 Jahren Straflager verurteilt. Zuvor hatte er bei einer mutmaßlich erzwungenen Pressekonferenz erklärt, er habe das Plakat gestohlen, weil ihm ein Bekannter aus seiner Kirche für die Trophäe einen Gebrauchtwagen geboten habe.

Es vergingen 15 Monate, in denen seine Eltern nichts von ihm hörten – bis ihnen vor zwei Wochen telefonisch mitgeteilt wurde, Otto liege im Koma. Am Dienstag der vergangenen Woche wurde der junge Mann überraschend in die USA entlassen. Er konnte zwar selbstständig atmen und unkontrolliert blinzeln, zeigte sonst aber keine Reaktionen. „Am besten lässt sich sein Zustand als reaktionslose Wachheit beschreiben“, sagte der behandelnde Intensivmediziner Daniel Kanter. Er stellte „erhebliche Verluste an Gewebe in allen Teilen des Gehirns“ fest. Wie es dazu gekommen ist, wird vielleicht nie aufgeklärt werden. Nordkoreas Offizielle behaupten, Warmbier sei kurz nach der Verurteilung an einer Lebensmittelvergiftung erkrankt, nach der Einnahme von Schlaftabletten kollabiert und nicht wieder aufgewacht.

Ärzte führen Hirnschäden auf Herzstillstand zurück

US-Ärzte halten dies nicht für glaubwürdig. Sie führen die Hirnschäden auf einen Herzstillstand und die dadurch bedingte Unterversorgung mit Sauerstoff zurück. Für die Überzeugung der Eltern, dass der Student „brutal behandelt und terrorisiert“ wurde, fanden sich an seinem Körper bisher keine Belege. „Wir haben sehr wenige Antworten“, hatte Warmbiers Vater Fred schon vor einer Woche gesagt. Daran hat sich seitdem nicht viel geändert.

Unklar ist auch, weshalb und zu welchen Konditionen der offenbar seit Langem schwer verletzte Student nun freikam. Sein Vater dankte vor einer Woche ausdrücklich Präsident Trump für seinen Einsatz und kritisierte die Vorgängerregierung von Barack Obama, die stets – ohne Erfolg – zur Zurückhaltung aufgefordert habe, um das Leben des Sohnes nicht zu gefährden. In der aufgeheizten Stimmung in den USA dürfte es nicht lange dauern, bis Politiker versuchen, das Schicksal des Studenten auszuschlachten.

Den Vorwurf zu großer Nachgiebigkeit gegenüber dem Regime in Pjöngjang kann Trump indes nicht einfach gegen Obama erheben. Er selbst hatte noch vor sechs Wochen den Machthaber Kim Jong-un als „kluges Kerlchen“ bezeichnet und erklärt, es wäre für ihn eine „Ehre“, sich einmal mit dem Regenten zu treffen.