Die Reaktion auf die Berichterstattung der StZ zeigt: Vorfälle wie in Göppingen gibt es auch anderswo. Die Krankenhausgesellschaft spricht von strukturell unterfinanzierten Kliniken.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Die Telefone sind nicht mehr stillgestanden, das E-Mail-Postfach ist vollgelaufen: die Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung über Behandlungsfehler und anderweitige Versäumnisse an der Göppinger Klinik am Eichert hat eine wahre Flut an Reaktionen ausgelöst. Zahlreiche Patienten und Angehörige und noch mehr Ärzte und Pflegekräfte wussten über gleiche oder ähnliche Fälle, größtenteils aus anderen Krankenhäusern in der Region Stuttgart, zu berichten.

 

Da war von verwechselten Medikamentenschachteln, von falscher Nahrung, die zum Tod eines Patienten geführt habe, von unbemerkt leergelaufenen Sauerstoffflaschen, von Meldefehlern bei der Verlegung von Patienten und von vielen mehr berichtet worden. Ein Internist wusste gar von nachträglich vorgenommenen Veränderungen und von verschwundenen Dokumentationen in Behandlungsakten. Ein Pfleger wiederum berichtete von Kolleginnen und Kollegen, die am Medikamentenschrank selbst die besten Kunden seien, weil sie ansonsten die Arbeitsbelastung nicht mehr aushielten.

Personalnot allerorten

In vielen Fällen, auch das machten die Anrufer und E-Mail-Schreiber deutlich, seien die Klinikleitungen über die Pannen und Versäumnisse zwar informiert worden. Konsequenzen habe es aber nur in Ausnahmefällen gegeben. Ohne die einzelnen Vorkommnisse, deren Herkunft oder gar deren Folgen durch eigene Recherchen nachvollzogen zu haben, eines macht die Masse der Einlassungen und Kommentare überdeutlich: die Fehler, die passieren, gehen zumeist auf Fehler im System zurück. Oder anders gesagt: je größer die Personalnot und je höher die zeitliche Inanspruchnahme der Klinikbeschäftigten, desto wahrscheinlicher ist es, dass darunter die Patienten zu leiden haben.

Matthias Einwag, der Verbandsdirektor der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), hat zwar noch keine statistischen Anhaltspunkte dafür, dass die Zahl der Behandlungsfehler ansteigt: „Wenn sich aber an der Unterfinanzierung der Kliniken nichts ändert, bekommen wir ein ernstes Problem bei der Versorgungsqualität.“ 60 Prozent der Kliniken im Land hätten im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben, mit der Tendenz, dass sich die Situation 2012 verschlechtere, fügt der BWKG-Geschäftsführer hinzu. „Verluste in Kauf zu nehmen, heißt zwar, dass nicht um jeden Preis gespart wird. Aber das geht natürlich nicht auf Dauer.“

Werden die Kliniken kaputt gespart?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert deshalb schon seit geraumer Zeit, eine Veränderung des Finanzierungssystems für die Kliniken. Matthias Einwag wird konkret: „Das Geld sprudelt nur so, was bei den Kassen zu Rücklagen in Höhe von 20 Milliarden Euro geführt hat. Ist zugleich aber ein Krankenhaus nicht in der Lage, seinen Leuten die vereinbarten Tarifsteigerungen zu bezahlen, stimmt hier doch etwas nicht.“ Davon zu sprechen, dass die Kliniken kaputtgespart würden, sei ihm zwar zu martialisch, von einer strukturellen Unterfinanzierung müsse man aber schon sprechen. Weshalb es zu diesem Ungleichgewicht und den damit einhergehenden Etatkürzungen, auch in der Pflege, kommen konnte, liegt für die BWKG auf der Hand: die Finanzierungsbedingungen seien in Zeiten der allgegenwärtigen Konjunkturkrise festgeklopft worden, so Einwag. „Nun treffen diese aber auf die Kosten der Hochkonjunktur, das passt nicht.“

Im Land fehlen Pflegekräfte

In Baden-Württemberg komme noch ein Problem hinzu, das den Mangel an Pflegefachkräften, über den ja auch an der Klinik am Eichert geklagt werde, verschärfe. „Weil die Arbeitslosenzahlen niedrig sind, ist der Wettlauf um qualifizierte Leute enorm“, betont der Verbandsdirektor. Da man bundesweit allerdings ein einheitliches Vergütungssystem habe, könne man den potenziellen Interessenten nicht mehr bieten als in anderen Gegenden.

Was zu tun ist, steht für Einwag indes fest: „Wir sind nicht zufrieden mit dem, was die Politik in dieser Sache bis jetzt geleistet hat. Deshalb werden wir Druck machen müssen, um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen verantwortungsvoll gearbeitet werden kann.“