Der 20. Stuttgart-Lauf wird überschattet vom Tod eines Teilnehmers beim Halbmarathon. Der 24-Jährige war kurz vor dem Ziel zusammengebrochen, jede Hilfe kam zu spät.

Stuttgart - Jürgen Scholz’ Miene am Sonntagmittag passte gar nicht zu den mehr als 19 600 begeisterten Teilnehmern rund um die Mercedes-Benz-Arena. Denn der Präsident des Württembergischen Leichtathletik-Verbands (WLV) begann die Abschlusspressekonferenz des 20. Stuttgart-Laufs mit einer tragischen Nachricht: Ein 24-jähriger Freizeitsportler ist kurz vor dem Ziel des Halbmarathons gestorben. Als er gegen 11.20 Uhr in das Stadion einlief, brach er zusammen – direkt neben einem Zelt des Roten Kreuzes. Die Sanitäter versuchten sofort, ihn zu reanimieren, ohne Erfolg. Kurz darauf mussten sie seinen Tod feststellen. „Wir sind alle bestürzt und sprechen den Angehörigen unser Mitgefühl aus“, sagte Scholz. Die Eltern des jungen Mannes waren im Stadion. Sie werden von Notfallseelsorgern betreut.

 

Woran der Läufer verstorben ist, war am Sonntag noch nicht klar. Die äußeren Bedingungen können jedenfalls nicht der Grund gewesen sein. Bei Temperaturen um die 18 Grad und Bewölkung herrschte perfektes Laufwetter. So befand sich die Gesamtzahl der medizinischen Hilfseinsätze mit etwa 108 im unteren Bereich, sagte Scholz. „Wir werden aber jetzt nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen und überprüfen, was noch zu verbessern ist.“

Mehr als 1200 ehrenamtliche Helfer beim Stuttgart-Lauf

Wobei der WLV-Präsident auch betonte, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Stuttgart den höchsten Standards entsprächen. 1200 ehrenamtliche Helfer waren insgesamt im Einsatz, darunter mehr als 200 Sanitäter des Roten Kreuzes. An der 21,1 Kilometer langen Strecke befanden sich Defibrillatoren im Abstand von 500 Metern. Im Stadion gab es sechs Notfallplätze, an denen die Sanitäter jegliche technische Unterstützung zur Verfügung hatten.

„In Stuttgart wird von den Veranstaltern alles getan, was geht“, sagt Heiko Striegel. Der 43-Jährige ist Sportmediziner an der Universität Tübingen und Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart. Zudem ist er mehrfacher süddeutscher Meister auf der Mittelstrecke. Für ihn zeigt der Todesfall vor allem eines: Hobbysportler sollten unbedingt Vorsorge betreiben. Also sich erst untersuchen lassen und dann mit dem Laufen anfangen. „Das ist das Einzige, das wirklich hilft“, sagt Striegel. „Nur so kann man Grunderkrankungen erkennen.“ Außerdem empfiehlt er jedem Läufer, sich unabhängig vom Alter alle zwei bis drei Jahre untersuchen zu lassen. „Freizeitsportler kaufen sich ja auch regelmäßig neue Schuhe, genauso wichtig ist der Besuch beim Arzt.“

Sportmediziner appelliert an Eigenverantwortung der Läufer

In den 20 Jahren sind beim Stuttgart-Lauf  vier Teilnehmer gestorben. 2003 kam ein Halbmarathon-Läufer ums Leben, 2005 waren es zwei. Jeder einer zu viel – aber statistisch gesehen sei dies eine sehr geringe Zahl für solch eine große Sportveranstaltung, sagt Striegel. Beim Halbmarathon liege die Quote bei einem Toten pro 50 000 Starter. Da in Stuttgart lange nichts passiert sei, lasse die Motivation für Voruntersuchungen stark nach. Das merke er auch in seiner Praxis.

Nachdem im April beim Berliner Halbmarathon bereits ein 24-Jähriger und ein 28-Jähriger starben, sagt Striegel: „Diese Altersgruppe ist meistens relativ schlecht untersucht, weil viele denken, sie sind ja eh fit.“ Erst bei den Hobbysportlern von 50 Jahren an wachse das Bewusstsein, sich beim Arzt durchchecken zu lassen. Von einem ärztlichen Gesundheitszeugnis, das die Teilnehmer vor dem Start einreichen müssten, hält er nichts. „Bei so einer großen Starterzahl kann man nicht alle testen. Außerdem kann man nicht überprüfen, ob bei der Untersuchung etwa nur der Blutdruck gemessen wurde.“ Und so appelliert Striegel vor allem an die Eigenverantwortung der Freizeitsportler, wirklich vorher überprüfen zu lassen, ob es sinnvoll ist einen Halbmarathon oder einen Marathon zu laufen.

Angesichts des Todesfalls zog Jürgen Scholz „ein verhaltenes Resümee“ der Jubiläumsauflage des Stuttgart-Laufs. „Wir hatten so eine besondere Atmosphäre, mehr Teilnehmer als im Vorjahr, und es ist schwer, jetzt noch etwas Positives zu sagen“, sagte der WLV-Präsident. „Aber wir glauben, es ist gut, dass es diesen Lauf gibt – auch im nächsten Jahr wieder.“