Wenn der Chef stirbt, kann das eine Firma an den Rand des Abgrunds bringen. Unternehmer sollten Vorsorge treffen für die Familie und die Mitarbeiter.

Das Foto von Ludger Küpper steht neben einer Kerze auf dem Tresen. Wenn die Handwerker frühmorgens in den Betrieb kommen, treten sie ihrem langjährigen Chef gegenüber. Der Dachdeckermeister aus Salach bei Göppingen ist vergangenen Spätsommer bei einem Segeltörn in Kroatien tödlich verunglückt. Er hinterlässt seine Frau Barbara, drei Kinder und einen Handwerksbetrieb mit 40 Mitarbeitern. Barbara Küpper blieb nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes nicht viel Zeit, um die Geschäfte fortzuführen. Das Baugewerbe ist hart und ungemütlich. Dachdecker müssen raus. Bei Wind und Wetter. Aufträge abarbeiten. Als die 51-Jährige allein aus dem Urlaub zurückkam und montagmorgens vor 40 breitschultrigen Männern Details vom Unglück berichtete, blickte sie in bedrückte Gesichter. Selbst in tiefer Trauer begriff die Witwe und nun alleinige Geschäftsführerin, dass diese Männer ihren Chef verloren haben. Für manchen war der kantige Macher wie ein Vater, ein Vorbild allemal. Gemeinsam mit ihren erwachsenen Kindern beschließt Barbara Küpper, im Foyer der Dachwerkstatt sowie am Personaleingang an ihren Mann zu erinnern. 'Acht unserer Mitarbeiter haben Ludgers Sarg getragen', erzählt sie. Eine Bilder-Collage im Zwischenbau erinnert an Beerdigung und Trauerfeier.

 

Markus Sobau ist erfahren, wenn es um die Frage geht: was geschieht, wenn der Chef stirbt? Als enger Vertrauter eines Maschinenbauer-Unternehmers begleitete der Finanzfachmann vor zwölf Jahren nach dessen plötzlichem Tod die Familie. 'Ich war damals, ohne vorbereitet zu sein, mit der Situation konfrontiert', sagt der 44-Jährige. Beim Mannheimer Mittelständler kam neben dem dramatischen Verlust hinzu, dass rechtlich nichts geregelt war. 'Es gab weder Vorsorgevollmachten noch Testament', berichtet Sobau. Binnen 24 Stunden hatten die Banken sämtliche Konten gesperrt. Weder Löhne noch Lieferantenrechnungen konnten bezahlt werden. Das 50 Mitarbeiter zählende Unternehmen schlingerte nahezu handlungsunfähig dem Abgrund entgegen. Die Insolvenz drohte. Sobau hat sich seit dieser Erfahrung zum Erbschaftsplaner und Generationenberater mit IHK-Zertifikat weitergebildet. Nach seiner Beobachtung haben 90 Prozent aller Mittelständler keinerlei Vorsorge getroffen. 'Die Chefs setzen sich nicht mit dem Tod auseinander und ahnen nicht, was sie damit anrichten', verdeutlicht er. Hinter jedem Mitarbeiter stehen Familien, womöglich mit Krediten für Eigenheime, die bezahlt werden müssen.

Die Verantwortung ist groß - auch nach dem Tod

Barbara Küpper - und mit ihr die Mitarbeiter - hatte mehr Glück im Unglück. Sie und ihr Mann waren vor der Reise nach Kroatien noch beim Notar. Beide hatten diesen Termin immer wieder aufgeschoben, das Alltagsgeschäft schien wichtiger. Beide setzten sich als jeweilige Alleinerben ein und statteten sich gegenseitig mit Generalvollmachten aus. 'Damit war ich zumindest in finanziellen Fragen handlungsfähig', schildert Küpper die dramatische Situation. Dennoch holpert es: eine Bank hatte die Witwe vergessen zu informieren. Wie im Fall des Mannheimer Maschinenbauers sperrt diese das Konto. 'Da merkte ich erst, wie langsam die Mühlen mahlen', erinnert sich Küpper. Auf einen aktuellen Auszug des Handelsregisters wartet sie mehrere Monate. Er würde sie als Geschäftsführerin der Firma ihres verstorbenen Mannes ausweisen und bevollmächtigen. 'Ich könnte womöglich bis heute keine Löhne ausbezahlen', sagt auch sie. Und die Mitarbeiter? 'Zeit für Trauer ist eine gute Investition', verdeutlicht Trauerberaterin Heike von der Fecht. Stirbt der Chef, schlägt die Berlinerin vor, dessen Schreibtisch zu erhalten, wie er ist. Vielleicht wollen Mitarbeiter eine Kerze aufstellen oder davor ein Gebet sprechen.

Ein Abschiedsritual oder ein Kondolenzbuch kann Mitarbeitern außerdem helfen, ihre Trauer auszudrücken und damit letztlich besser zu verarbeiten. Oder es gibt einen Raum, in dem sich Kollegen zusammensetzen können, um Fotos und Videos von Betriebsfeiern anzuschauen und sich über Erinnerungen an den Verstorbenen auszutauschen. Denn bleiben Gefühle wie Trauer unter Verschluss, kann es zu krankheitsbedingten Ausfällen kommen, verdeutlicht von der Fecht die Konsequenz, wenn allzu schnell 'Business as usual' gilt. Barbara Küpper hat instinktiv vieles richtig gemacht. Bei der Trauerfeier in der großen Halle des Dachdeckerbetriebs lässt sie eine Dia-Show laufen. Bilder zeigen Ludger Küpper bei der Arbeit, in der Freizeit mit seiner Familie und mit Kunden. Auch ein Kondolenzbuch liegt aus. Im Betrieb hat sie alle Beileidsbekundungen an die Wand gepinnt. Doch das Leben geht weiter. An das große, gerahmte Bild ihres Mannes im Foyer der Firma stieß kurz nach dem Jahreswechsel ein Mitarbeiter. Es knallte auf den Boden und die Glasscheibe zersplitterte. Für Barbara Küpper war das ein Zeichen, der Trauer nach mehreren Monaten weniger Raum zu geben. Das große Bild kam weg, stattdessen erinnert nun ein kleineres an Ludger Küpper.