Auch im Kreis Göppingen hat es beim Zusammenbruch des Naziregimes Todesmärsche mit Gefangenen gegeben. Einige Schlaglichter auf dieses letzte organisierte Massenverbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands wirft eine Ausstellung in Ebersbach.

Ebersbach - SS-Männer und andere willfährige Helfer des Naziregimes haben auf der Flucht vor den heranrückenden alliierten Truppen Häftlinge aus Konzentrationslagern und Gefängnissen Hunderte von Kilometern durch Deutschland getrieben. Die Bewacher kannten kein Erbarmen. Wer zu schwach war, wurde erschossen. Deshalb gelten diese Todesmärsche als das letzte organisierte Massenverbrechen des nationalsozialistischen Deutschland.

 

Ein schreckliches Kapitel deutscher Geschichte

Eine Sonderausstellung des Internationalen Suchdienstes (ITS) über dieses schreckliche Kapitel deutscher Geschichte ist zurzeit im Stadtmuseum von Ebersbach zu sehen. Die Schau mit dem sperrigen Titel „Die Todesmärsche in den Dokumenten des International Tracing Service (ITS)“ ergänzt die Jahresausstellung „Alle wollen überleben im Jahr 1945“ über das Ende des Zweiten Weltkriegs in Ebersbach.

Gefangenenmärsche gab es auch im Filstal

„Diese Schau passt gut zu unserer Jahresausstellung, auch hier geht es um das Thema Überleben“, erklärt Uwe Geiger, der Leiter des Stadtmuseums. Außerdem wisse man von Zeitzeugen, dass es solche Gefangenenmärsche auch im Filstal gab. Da aber die meisten Menschen in den Tagen des Zusammenbruchs des Naziregimes mit sich selbst beschäftigt gewesen seien, seien keine Einzelheiten über die Märsche bekannt. Allerdings hätten Zeitzeugen teils grauenhafte Szenen geschildert und von völlig entkräfteten Menschen berichtet.

Zu Fuß von Ludwigsburg über den Schurwald

Einem Eintrag im Geschäftstagebuch des damaligen Bürgermeisters Gustav Seebich ist es zu verdanken, dass zumindest in einem Fall die Umstände eines solchen Gefangenenmarsches näher geklärt werden konnten. So kamen am 5. April Inhaftierte des Ludwigsburger Zuchthauses in Ebersbach an. Sie waren zu Fuß über den Schurwald in die Stadt geführt worden, von wo sie in Zügen weiter bis Ulm transportiert wurden. Einer der Gefangenen, Curt Letsche, verarbeitete seine Erlebnisse im Widerstand und in der Gefangenschaft in seinem Roman „Das Schafott“. Das letzte Kapitel hat der Museumschef Geiger kopiert und der Sonderausstellung beigelegt, denn dort schildert Letsche den überstürzten Aufbruch im Zuchthaus und den menschenverachtenden Umgang der Wachmänner mit den Häftlingen.

30 Millionen Dokumente sind noch nicht ausgewertet

Auch der ITS, der angetreten war, den Opfern ihre Identität zurückzugeben, hat noch längst nicht Licht in alles gebracht, was in Verbindung mit den Todesmärschen steht. Vieles wird wohl niemals geklärt werden, auch wenn im Archiv im hessischen Bad Arolsen, dem Sitz der Institution, 30 Millionen Dokumente schlummern. So kann bis heute niemand sagen, wie viele Tote es gegeben hat. Es müssen aber sehr viele gewesen sein. Allein auf den Märschen aus dem KZ Buchenwald starben 7800 Menschen. Eine besondere Eindringlichkeit gewinnt die Ausstellung, die aus drei Lesemappen und sieben Bannern mit Dokumenten, Fotos und erläuternden Texten besteht, wenn sie Einzelschicksale nachzeichnet oder Überlebende zu Wort kommen lässt. Da heißt es etwa: „Ich kann nur sagen, dass es furchtbar war, und keiner glaubte an ein Überleben.“