Mit einem wütenden Facebook-Post hat die Aalener Polizei Gaffer kritisiert, die während der Bergungsarbeiten nach dem tödlichen Unfall auf der B 29 hemmungslos gefilmt und fotografiert hatten.

Lorch - Pietätlos, distanzlos, borniert – mit diesen Attributen belegt die Aalener Polizei in einem wütenden Facebook-Post jene Schaulustigen, die am späten Sonntagnachmittag in Lorch zu einem tödlichen Unfall auf der B 29 gepilgert sind. „Wieder einmal konnten sich zahlreiche Gaffer nicht zurückhalten und hielten mit ihren Handykameras auf die Verunglückten“, heißt es in dem Post. „Als wir genug Einsatzkräfte vor Ort hatten, konnten wir endlich eine Polizeistreife abstellen, die sich um die Gaffer kümmerte.“ Immer mehr Zuschauer seien aufgetaucht. Einige hätten sogar ihre Kinder mitgebracht, stellt die Polizei fassungslos fest. „Wir fragen uns: Schämt Ihr euch nicht?“

 

Wie berichtet, war eine 72-Jährige mit ihrem Wagen in der falschen Richtung unterwegs gewesen. Ihr Auto prallte auf den Mercedes eines 20-Jährigen. Beide Fahrer starben, der Beifahrer des jungen Mannes wurde schwer verletzt. Die Polizei geht derzeit davon aus, dass die Frau unabsichtlich die eigentliche Abfahrt der Bundesstraße in Richtung Stuttgart an der Anschlussstelle Lorch-Ost als Zufahrt in Richtung Schwäbisch Gmünd benutzt hatte. „Wir haben aktuell keine Erkenntnisse, dass es eine bewusste Falschfahrt war“, sagt ein Polizeisprecher.

Die Gaffer hatten einen Logenplatz

Nach dem Unfall versammelten sich Zuschauer auf einer nahe gelegenen Brücke. Die Rettungskräfte wurden zwar nicht in ihrer Arbeit gestört. Aber vom Steg aus hatten die Schaulustigen quasi einen Logenplatz und nutzten diesen offenbar nach Kräften, um mit ihren Handys zu filmen und zu fotografieren – auch die sterbenden und verletzten Menschen. Um die Würde der Unfallopfer und ihrer Angehörigen zu schützen, „mussten wir die Brücke dreimal räumen“, berichtet der Sprecher. Wer solche Aufnahmen über das Internet verbreite, verstoße gegen die Persönlichkeitsrechte und könne dafür belangt werden.

An der Auffahrt Lorch-Ost sind im Mai 2015 schon einmal zwei Menschen durch eine Falschfahrt gestorben. Damals allerdings hatte der Unfall andere Gründe. Eine 86-Jährige war irrtümlich in Richtung Stuttgart auf die B 29 gefahren und hatte dann ihren Wagen auf der Beschleunigungsspur gewendet. Bei der Rückfahrt rammte sie das Auto eines 22-Jährigen. Beide kamen ums Leben.

Schon einmal starben an dieser Stelle zwei Menschen

Dennoch löste die erneute Kollision Diskussionen aus. Denn dieser Unfall war die dramatischste Folge einer ganzen Reihe von Falschfahrten auf der vierspurig ausgebauten B 29 zwischen Fellbach und Schwäbisch Gmünd. Im ersten Halbjahr 2015 waren auf der Strecke 16 Falschfahrer gemeldet worden. Allein zwischen Lorch und Schwäbisch Gmünd seien von 2014 bis 2016 13 Falschfahrten bei der Polizei angezeigt worden, sagt der Sprecher. Nur bei fünf von ihnen ist allerdings amtlich, dass sie auch tatsächlich stattgefunden haben.

Erklärungen für die Falschfahrten gibt es bisher keine. „Wir haben keinen offenkundigen Fehler an der Stelle“, sagt der Polizeisprecher über die Ausfahrt Lorch-Ost. Nach dem tödlichen Unfall im Mai 2015 sei die Stelle bereits untersucht worden: „Aus unserer Sicht ist diese Abfahrt nicht schlechter als andere solche Abfahrten im Land.“ Das baden-württembergischen Verkehrsministerium teilte auf Anfrage mit: „Auf dem angesprochenen Streckenabschnitt der B 29 ist keine überproportionale Häufung von Unfällen festzustellen.“ Und fügt hinzu, dass bei schweren Unfällen wie dem vom Sonntag , die zuständigen Stellen „nach Kenntnis der Unfallursache entscheiden, ob dort Maßnahmen ergriffen werden müssen“.

Das Innenministerium hat die Statistik erst vor zwei Jahren um die Kategorie der Falschfahrer erweitert. 2016 hat es demnach landesweit 52 Unfälle mit Falschfahrern gegeben. Bei mehr als jedem zweiten Unfall wurden Menschen verletzt. Im Jahr zuvor waren lediglich 28 Kollisionen mit Falschfahrern registriert worden; in neun Fällen kamen Personen zu Schaden.