Nach dem tödlichen Unfall, bei dem eine Eiche zwei Autoinsassinnen erschlagen hat, warten Polizei und Staatsanwaltschaft auf das Gutachten. Eigentlich geht von Bäumen ein geringes Risiko aus. Dafür sollen auch regelmäßige Kontrollen sorgen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Ein Arborist hat sich des Falles angenommen: Der Baumsachverständige sucht nach der Ursache für das Unglück, das am Donnerstag zwei Frauen das Leben gekostet hat. Gegen 9.45 Uhr war auf der Kreisstraße zwischen Sindelfingen und Stuttgart eine mächtige Eiche auf den BMW einer 32 Jahre alten Enkelin und ihrer 81 Jahre alten Großmutter gefallen. Die junge Frau war in dem Moment auf der Rechtsabbiegespur in Richtung Sindelfingen gefahren. Mit mindestens vier Wochen rechnet das Polizeipräsidium, bis das Gutachten vorliegt. „Vorher wird sich nicht viel tun“, sagte eine Polizeisprecherin.

 

Der umgestürzte Baum wurde zuletzt im vergangenen März kontrolliert, wie Dusan Minic vom Böblinger Landratsamt berichtet. „Dabei sind keine Auffälligkeiten festgestellt worden“, sagt der Sprecher der Kreisbehörde. Die Forstrevierleiter sind für die Baumkontrolle zuständig. Aufgrund ihres Studiums und ihrer Ausbildung seien sie dafür qualifiziert. Sie richten sich nach einer Richtlinie des Landesforstbetriebs ForstBW. Deren Empfehlung lautet, dass alle 18 Monate ein Kontrollgang erfolgen muss. „Wir machen es aber einmal im Jahr“, sagt Dusan Minic. Dabei schauen sich die Förster den Stamm, die Rinde und die Krone des jeweiligen Baumes genau an.

Der Bundesgerichtshof hat seit 1965 mehrere Urteile zur Verkehrssicherungspflicht von Bäumen gesprochen. Wer regelmäßige Kontrollen und entsprechende Pflegemaßnahmen nachweisen kann, hat bei Schadensfällen seiner Verantwortung genüge getan. Ein bei der Stadt Trier beschäftigter Gärtnermeister hatte seine Verkehrssicherungspflicht dagegen verletzt – und ist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Im November vor fünf Jahren stürzte dort plötzlich eine Rosskastanie um und erschlug eine 70 Jahre alte Frau. Der Gärtner war vier Monate zuvor von einem Mitarbeiter darüber informiert worden, dass der Stamm des Baumes verfault und teilweise hohl war, und hatte keine weiteren Maßnahmen ergriffen.

Generell gilt, dass alle Bäume in regelmäßigen Zeitabständen in Augenschein genommen werden müssen, in deren Nähe sich Menschen aufhalten – also alle Stadtgewächse, im Wald dort, wo Spielplätze und andere Aufenthaltsorte sind, und entlang von öffentlichen Straßen. Die Zeitabstände richten sich nach dem Alter, dem Zustand sowie dem Standort des Baumes: Für Jungbäume unter einem Alter von 15 Jahren empfiehlt die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) jährliche Kontrollen. Sie hat eine 50 Seiten umfassende Baumkontrollrichtlinie herausgebracht. Gibt es Hinweise auf Schäden, muss der Baum eingehend fachmännisch untersucht werden, etwa mit einer Bohrwiderstandsmessung oder mithilfe eines Hubsteigers. Größere Kommunen und Behörden führen in einem Baumkataster genau Buch über die Erkenntnisse bei den Kontrollen.

„Man kann aber nicht alle Schäden entdecken“, sagt Jürgen Rohrbach. Als Beispiele nennt der FLL-Geschäftsführer eine Krankheit im Wipfel oder wenn der Stamm innen faulig ist, aber außen davon nichts zu sehen ist. Dennoch stuft er die Gefahr, die von Bäumen ausgeht, als sehr gering ein. „In der normalen Unfallhäufigkeit sind umstürzende Bäume ohne Besorgnis hinzunehmen“, sagt der Experte. „Und dass Menschen betroffen sind, ist wirklich extrem selten.“ Wenn, dann sei meistens ein Sturm die Ursache dafür.

Der Landrat Roland Bernhard hat den Angehörigen der Opfer sein Beileid ausgesprochen. „Dieser schreckliche Unfall macht uns alle sprachlos“, ließ er noch am Abend des Unfalls mitteilen. Er versprach eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei, um die Ursachen des Baumsturzes zu ermitteln. Ohne das Gutachten können auch die Förster vom Landratsamt noch keine Schlüsse zu dem Fall ziehen.