Ein Passant hat am Donnerstag eine Leiche auf dem Pragfriedhof gefunden. Die Polizei geht davon aus, dass die 21-jährige Stuttgarterin Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Eine 40-köpfige Soko ist mit dem Fall betraut.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Für einen Augenblick wird eine Familie, die von einer Trauerfeier kommt, aus ihrer Ruhe gerissen: Hinter dem Krematorium steht sie auf dem Pragfriedhof vor einem flatternden Polizeiabsperrband. Was sie dann sieht, wirkt beunruhigend: Dutzende Polizisten durchstreifen das Gräberfeld Nummer 62, das abgesperrt ist. Neben der Hecke ist ein Pavillon aufgebaut, der nicht vollständig verbergen kann, was geschehen ist: Auf dem Boden liegt eine junge Frau, tot, das Gesicht nach unten, neben einem Grab. Um sie herum Beamte in Schutzanzügen. Die Polizei ermittelt hier wegen eines Tötungsdelikts.

 

Ein Passant entdeckt die Tote am Morgen

Der Fundort könnte gruseliger nicht sein, an dem am Morgen ein Passant die Leiche einer 21-Jährigen entdeckt hat. Der Zeuge kam zufällig an der Stelle vorbei und sah den leblosen Körper, teilt die Polizei mit. Der Zeuge verständigte die Rettungskräfte. Notarzt und Polizei stellen fest, dass die Frau schon tot war. Die Ermittler gehen aufgrund der Verletzungen und Spuren schnell davon aus, dass die junge Frau, die vollständig bekleidet ist, umgebracht wurde. Da sie Dokumente dabei hat, wissen die Beamten gleich, um wen es sich handelt. Die 21-Jährige ist Stuttgarterin, sie ist wegen geringer Delikte der Polizei bekannt gewesen. Die Polizei machte am Donnerstag noch keine weiteren Angaben zur Identität – aus ermittlungstaktischen Gründen. Auch sonst ist wenig zu erfahren. Die Tatsache, dass die Frau Kleidung anhatte, lasse nicht automatisch den Schluss zu, dass es kein Sexualdelikt war, so die Polizei. Das sei genauso denkbar wie ein Raubüberfall oder eine Beziehungstag. Ob die Gewalttat auf dem Friedhof geschah oder an einem anderen Ort und die Leiche dann dorthin gebracht wurde, kann die Polizei noch nicht sagen. „Das steht alles noch nicht fest“, sagt der Polizeisprecher Thomas Geiger.

Polizisten suchen den Friedhof nach Spuren ab

Der Bereich rund um den Fundort ist weiträumig abgesperrt. Beamte der Einsatzhundertschaft suchen das Gräberfeld Nummer 62 Zentimeter für Zentimeter ab. Sie greifen behutsam in die Blumen auf den umliegenden Gräbern, heben Vasen und Werkzeuge an, die hinter Grabsteinen unbenutzt abgelegt sind. Alles, was nicht hierhin gehört, wird vorsichtig eingepackt, um später untersucht zu werden. Ein ganzes Bündel brauner Umschläge mit möglichen Beweismitteln transportieren die Beamten gegen 14.30 Uhr ab. Zu dieser Zeit wird auch die Tote im Wagen eines Bestattungsunternehmens weggebracht. Die Obduktion der Toten am Freitagvormittag soll Klarheit über die Todesursache ergeben. „Sie hatte Verletzungen. Ob diese aber tödlich waren, können wir noch nicht sagen“, so der Polizeisprecher Geiger.

Während die Arbeiten der Polizei am Tatort laufen, darf niemand den abgesperrten Bereich betreten. Auch Angehörige dürfen in dieser Zeit nicht zu Gräbern in dem Abschnitt. Beerdigungen fanden in diesem Teil von Stuttgarts größtem Friedhof am Donnerstag keine statt, die meisten umliegenden Gräber sind schon älter.

40 Beamte arbeiten in der Soko Nord an dem Fall

Die Kriminalpolizei hat eine Sonderkommission eingerichtet. Der „Soko Nord“ gehören 40 Beamte an, die sich zunächst ausschließlich mit dem Tötungsdelikt befassen werden. Der Name „Soko Friedhof“ sei schon bei einem früheren Fall vergeben worden, hieß es.

Für die Ermittler, die Tötungsdelikte bei der Stuttgarter Kriminalpolizei bearbeiten, ist die Tote vom Pragfriedhof seit Langem wieder ein großer Fall. In Stuttgart ist nicht nur in diesem Jahr noch kein Mord begangen worden. Das Verbrechen ist das erste aufsehenerregende Tötungsdelikt seit dem Fund der beiden Kofferleichen im Juni 2014. Damals fanden Passanten im Schlossgarten zwei Koffer, in denen Leichen versteckt waren. Nach kurzer Zeit wurde ein Bekannter der Opfer der Tat überführt, der sie aus Eifersucht getötet haben soll.