Das Radteam von Christopher Froome, Träger des Gelben Trikots, fühlt sich in Frankreich verfolgt. Die Überlegenheit der Sky-Equipe hat aus allen möglichen Lagern Vorwürfe provoziert. „Würden wir nicht gewinnen, würde keiner nach Doping fragen“, meint Teamchef Dave Brailsford.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Sisteron - Kurz nach der Mautstation an der Autobahnabfahrt Sisteron von der A 51 hat sich die Gendarmerie postiert. Drei Polizisten stehen da, freundlich schauen sie drein. Für alle Fälle, man kann ja nie wissen. Gleich um die Ecke vor den Toren Sisterons, dieser wunderschönen Stadt im Department Alpes-de-Haute-Provence mit ihrer tollen Lage zwischen zwei Gebirgszügen, haust schließlich das Team Sky. Es ist Ruhetag bei der Tour de France, wobei man das Wort „Ruhe“ nicht so ernst nehmen sollte. Es ist viel los im Innenhof des Ibis-Hotels. Kamerateams, Journalisten und Fans umlagern die schmucken Fahrzeuge des Rennstalls aus dem Hause Jaguar. Es ist (und bleibt) alles friedlich, das muss man erwähnen, weil es das zuletzt leider nicht immer war. Es flog bekanntlich, reichlich unappetitlich, ein Urinbecher, Hiebe soll es auch gegeben haben, und allerlei Beschimpfungen.

 

Dave Brailsford hat sich in den Schatten zurückgezogen, bei mehr als 33 Grad verständlich. Die Sonne knallt, der glatzköpfige Mastermind des britischen Radsportwunders braucht einen kühlen Kopf. Der Sky-Chef lehnt an der Motorhaube eines Teamfahrzeugs, das auf einem überdachten Parkplatz steht. Das mit den Parkplätzen ist übrigens auch so ein Problem mit Sky, aber dazu später mehr. Brailsford jedenfalls wird gefragt, woher dieser Hass auf sein Team komme und was er dagegen tun könne. „Ganz einfach: Wir müssen aufhören zu gewinnen. Würden wir nicht gewinnen, würde keiner nach Doping fragen.“

Doping-Anschuldigungen befeuern den „Kalten Krieg“

Aber sie gewinnen. Und so fliegen Anschuldigungen, mal subtil, mal brachial, derart um die Ohren des Tour-Gesamtführenden Christopher Froome und dessen Sky-Kollegen, dass die BBC auf ihrer Homepage fragt, wie der „Kalte Krieg“ erneut so heiß werden konnte. Eigentlich ist es völlig normal, dass die Domestiken des Mannes im Gelben Trikot das Feld meist anführen und selbst herausragende Fahrer sind, sonst wären sie keine Hilfe. Aber einige Beobachter fühlen sich angesichts der Dominanz des britischen Zweirad-Empires an Lance Armstrongs Zeiten erinnert, der mit seinem Team das Peloton beherrschte.

2012 gewann Bradley Wiggins als erster Brite die Tour (vor Froome), 2013 siegte dann Froome, und nach seinem Tour-Aus 2014 (Sturz) sieht es 2015 so aus, als würde Froome erneut gewinnen. Es wäre der dritte Sky-Sieg in vier Jahren. Nach allem, was im Radsport passiert ist, bietet Doping immer die einfachste Erklärung. Oft genug war sie richtig. Für den Sky-Chef Brailsford ist die Erklärung zu einfach. Es gebe nicht das eine Geheimnis für Erfolg, sondern viele Details, die man vielleicht besser mache („marginal gains“).

Das Sky-Team ist professionell und reich

Das 2009 gegründete Team, das auch von der Vorbereitung auf Olympia 2012 in London profitierte, gilt zumindest als professionellste Equipe im Feld. Das liegt auch daran, dass sie mit einem geschätzten Etat von 35 Millionen Euro die reichste ist. Man zeigt das auch, was natürlich nicht jeder lustig findet. Sky kann mit seinem Geld die besten Edeldomestiken für Froome verpflichten, etwa einen wie Leopold König (Tschechien), im vergangenen Jahr Siebter der Tour. Dazu zählen vor allem aber auch Richie Porte (der Sky verlassen wird) und Geraint Thomas, die bisher einen prächtigen Eskortservice abgeben. Vor den Alpenetappen, die an diesem Mittwoch beginnen, sagt Froome deshalb: „Das Team ist bereit.“

Der Waliser Thomas, 29, könnte übrigens der nächste Podiumskandidat von der Insel sein. Optisch zumindest passt er perfekt: groß, dünn, aber trotzdem bemerkenswert kraftvoll. Wiggins (1,90 Meter) wog bei seinem Sieg 69 Kilogramm, Froome wiegt bei 1,85 Meter 67 Kilo, und Thomas, Olympiasieger mit dem Bahnvierer 2008 und 2012, hat auf 68 Kilo bei 1,83 Meter abgespeckt. Auch die Dürreperiode auf der Insel sorgt natürlich für intensive Diskussionen in der Szene.

Der Kampf um die Deutungshoheit der Leistungsdaten

Es tobt neben der Schlacht in den Bergen ein Kampf um Glaubwürdigkeit und Wahrheit – auf Twitter, Facebook, im Fernsehen. Es geht dabei oft um Watt-Zahlen, um die Abkürzung VO2Max, die die maximale Sauerstoffaufnahme kennzeichnet, und anderes. Wissenschaftler, Pseudowissenschaftler und Verschwörungstheoretiker sind mittendrin im Kampf um die Deutungshoheit. Sky veröffentlichte deshalb am Dienstag Leistungsdaten von Chris Froome bei dessen Sieg auf der zehnten Etappe. Sein dortiger Antritt wird von einigen Experten als Indiz für Doping gewertet. Die Aussagekraft? Ansichtssache. „Ich verstehe nicht, warum das so ein heißes Thema geworden ist“, sagt Froome: „Ich habe mit 59 Sekunden Vorsprung gewonnen.“

Ach ja, die Parkplätze. Bei der Tour teilen sich meist mehrere Teams ein Hotel, und damit die Parkplätze. Der FDJ-Manager Marc Madiot warf Sky einen Mangel an Etikette vor. Die Sky-Fahrzeugflotte parke alles voll und nehme die Parkplätze weg.