Eine Stadtschönheit und eine renaturierte Flusslandschaft prägen die Wanderung von Backnang nach Burgstall. Der Weg ist ideal für Familien.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Esslingen - Von wegen Wanderung: wer die Strecke von Backnang nach Burgstall unter die Füße nimmt, muss ein Faible fürs Flanieren und fürs Spazieren haben. Denn die knapp zwölf Kilometer, die die beiden Etappenorte trennen, sind – auf meist asphaltierten und damit kinderwagenfreundlichen Wegen – leicht in drei Stunden zu bewältigen. Zeit ist dennoch ein wertvolles Gut auch auf dieser Tour de Region, denn die Stadtschöne Backnang, die viele vom Vorbeirauschen auf der nahen B 14 kennen, hat für die Besucher allerlei zu bieten. Und auch die Murr-Auen in den Spitzwiesen, die vor sechs Jahren zu einer wunderbaren Fluss- und Teichlandschaft umgemendelt und damit der Natur zurückgegeben worden sind, laden zum Schauen, Verweilen und Riechen ein.

 

Am Backnanger Bahnhof, der sowohl von der S-Bahn-Linie 4 aus Richtung Ludwigsburg als auch von der aus Waiblingen kommenden S 3 angefahren wird, geht es hinunter in die „Murr-Metropole“, wie der Oberbürgermeister Frank Nopper, beim Testlauf ein profunder Stadtführer, mit ironischem Lächeln im Gesicht bemerkt. „Murr-Metropole“, so nennen die Stadtvermarkter jenen rund 35 000 Einwohner starken Ort am Rande des Rems-Murr-Kreises, der im Dreieck zwischen Stuttgart, Ludwigsburg und Schwäbisch Hall tatsächlich eine zentrale Funktion erfüllt.

Früh haben die Menschen, darunter auch die Römer, in der sogenannten Backnanger Bucht gesiedelt, an einem Ort, der im Jahr 1067 als Baccananc erstmals urkundlich erwähnt wurde. Es lohnt, sich per pedes durch diese Stadt treiben zu lassen, die bis heute mittelalterliches Flair versprüht. Der Weg führt am Stiftshof vorbei, wo in einem einst als Schloss geplanten, aber unvollendet gebliebenen Prachtbau des berühmten Baumeisters Heinrich Schickhardt das Amtsgericht residiert. Zugleich fällt der Blick auf den ältesten Bau der Stadt: die Stiftskirche aus dem 12. Jahrhundert, dem heiligen Sankt Pankratius gewidmet. Gerne erzählt der Stadtführer Nopper von der wichtigen Episode der Geschichte, war der Ort doch lange fest in badischer Hand. Deren Marktgrafen hatten hier einst ihre Grablege, ehe die Stadt 1300 an Württemberg ging.

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Die Murr ist zum Naturparadies geworden

Über den Ölberg geht’s hinein ins Zentrum. Das wunderbare Rathaus vom Jahr 1599 lassen die Spaziergänger links liegen und stürzen sich in die Fußgängerzone, wo Cafés und Restaurants locken. Doch das Angebot zur Rast kommt zu früh, und so geht’s weiter über den Willy-Brandt-Platz, die Murr entlang in Richtung Fabrikstraße, wo ein Hauch von Industriegeschichte weht. Die Bauten sind in die Jahre gekommen. Und es ist an dieser Stelle nur zu ahnen, dass Backnang einst eine Hochburg des Maschinenbaus, vor allem aber der Leder- und Gerberkunst war.

Ganz allmählich heißt es dann aber doch Abschied nehmen von der Kernstadt Backnangs – und demnächst auch vom zurück ins Rathaus strebenden OB. Unter dem neuen Murrtalviadukt der B 14 hindurch, unter dem sich nach eben erfolgtem Abriss der alten Brücke momentan eine Baustelle befindet, geht’s sichtbar schon hinaus in die freie Natur. Und spätestens hinter dem Elzstadion der durchaus ruhmreichen TSG Backnang nimmt das Grün deutlich zu – was kein Zufall ist. Denn in den Spitzwiesen, so der Name des Gewanns, haben die Stadtväter mit großer Anstrengung die Flusslandschaft renaturiert. Seit 2007 finden in den Auen und Gewässerläufen seltene Tiere und Pflanzen einen Lebensraum.

Eine weite Landschaft macht den Atem frei

Dass die Wanderer, die nun den Schritt beschleunigen, sich gleichwohl in urbanen Gefilden bewegen, wird ein Stück weiter deutlich, wenn die Gerüche der nahen Biovergärungsanlage und des Klärwerks in die Nase steigen. Doch der strenge Odem verflüchtigt sich rasch. Links weg geht’s Richtung Hauptstraße, die Backnang und Burgstall verbindet, da ein Stück entlang, dann halten sich die Läufer rechts – es geht auf Mittelschöntal zu. Nach leichtem Anstieg auf der Höhe angekommen, entfaltet sich eine weite Landschaft an Äckern und Obstbaumwiesen, die freien Atem macht. Mittlerweile ist Frank Bodenhöfer, der beim Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) die Angebotsplanung unter sich hat, beim Testlauf als einziger Begleiter übrig geblieben. Doch was heißt Begleiter: der Diplom-Kaufmann kennt die Strecke aus eigenem Erleben, nachdem er sie tags zuvor mit Freunden erkundet hat. Die leichte Etappe ist bei seinen Gästen bestens angekommen, versichert Bodenhöfer, zumal diese gerade für Familien mit Kinderwagen gut geeignet ist. Manko nur: unterwegs gibt’s keine Einkehrmöglichkeit.

In Mittelschöntal, einem Teilort von Backnang, macht der Weg einen scharfen Linksknick – das Radlerschild als Wegweiser sollte die Wanderer nicht irritieren, ist aber ein Hinweis darauf, dass der Untergrund auch fürs Zweirad taugt. Noch einmal geht’s leicht den Hügel an, dann auf der Ebene weiter und wenig später in den Wald hinein, hinunter ins romantische Wüstenbachtal. Tatsächlich dürfte vor allen an sonnigen Tagen der Schatten willkommen sein, der sonst rar ist auf dieser Tour. Damit ist auf dieser Etappe dann auch schon der Schlussspurt eingeläutet: das Ziel Burgstall ist in Sicht.