Wasser und Wege (9): Heute folgen wir mit dem E-Bike der Wieslauf von Schorndorf über den Ebnisee und wieder zurück. Die Radler streifen auch die Geschichte: die der Flößer und die des Limes.

Ludwigsburg und Rems-Murr : Martin Willy (ily)

Schorndorf - Kernig ist die Tour“, sagt Martin Schugt, nichts für Gelegenheitsradler. Martin Schugt vom VVS muss es wissen. Der durchtrainierte Eins-neunzig-Mann ist Triathlet, sogar beim Ironman in Roth war er dabei, 1996 und 1997: 3,8 Kilometer Schwimmen, 42 Kilometer Marathonlauf und 180 Kilometer Radfahren zum Abschluss, eine Tortur. Lange her, sagt der 51-jährige Modellathlet. Etwas mehr als zehn Stunden hat er damals für den Wettbewerb gebraucht. Die Bestzeiten liegen unter acht Stunden. Aber auf solche Werte kommt es ihm nicht an. Damals wie heute nicht. Auch an diesem Tag am Start in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) gilt, der Weg ist das Ziel. 55 Kilometer Radtour stehen an, der Wieslauftalradweg wartet.

 

Die Tour ist kein Zusckerschlecken

So idyllisch der Name auch klingt, die Rundtour hat es in sich und nötigt selbst einem einstigen Extremsportler wie Schugt Respekt ab. „Die knapp 55 Kilometer sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, sagt er. Denn der Streckenverlauf hat doch mächtige Anstiege. Schugt und sein Begleiter entscheiden sich, die Rundtour in entgegengesetzter Richtung zu absolvieren, um gleich die Wieslauf entlang fahren zu können – und: die Steigungen beginnen sanft. Der Weg ist in beide Richtungen sehr gut ausgeschildert.

„Bei der Tour de France wäre das keine Flachetappe“, sagt der Experte. Kein Wunder, denn um das einstige Römerkastell in Welzheim auf dem Zweirad zu erklimmen, müssen die Radler rund 250 Höhenmeter absolvieren. Per aspera ad astra – durch Mühsal gelangt man zu den Sternen – schrieb schon der römische Philosoph Seneca im 1. Jahrhundert nach Christus. Aber ganz so ehrgeizig wie bei dem antiken Denker muss es knapp zwei Jahrtausende später nicht mehr zugehen. Wozu nur mit der eigenen Muskelkraft in die Pedale treten und sich die Berge hinaufquälen? Schließlich gibt es ja die Pedelecs mit der Drehgriffschaltung. Und am Schorndorfer Bahnhof befindet sich eine von 14 E-Bike-Stationen in der Region mit jeweils zehn Rädern: Dort kann sich jeder ab 18 Jahren eines ausleihen. Wie das genau funktioniert, erfährt man bei der VVS oder an der Station direkt. Jeder Erwachsene darf bis zu vier Exemplare ausleihen und kann drei Mitradler mitnehmen. An Kinder unter 14 Jahren sollte man allerdings kein E-Bike weitergeben, raten die Experten.

Elektro-Antrieb verschafft Zeit für Sightseeing

Der zuschaltbare elektrische Antrieb, dessen Akku für 80 Kilometer reichen soll, verschafft sowohl dem Athleten als auch seinem Begleiter ein hohes Maß an Entspannung. Da fühlen sich die Steigungen an wie Flachstücke. Das schont nicht nur die Kondition, auch die Landschaft kann man viel besser und intensiver genießen. Das lohnt sich, wenn man am knapp 24 Kilometer langen Flüsschen entlang an den Ebnisee hinauffährt und über Welzheim und Urbach wieder zurück nach Schorndorf.

Da entdeckt man etwa in der Nähe einer Bushaltestelle am Ortsausgang in Schlechtbach (Richtung Rudersberg) ein Sühnekreuz. Eine Tafel berichtet von einer Bluttat im 15. Jahrhundert: Zwei Schäfer oder ein Metzger und ein Schäfer waren in Streit geraten. Der eine habe den anderen abgestochen. Als Zeichen der Sühne habe der Täter ebenjenes Kreuz aufstellen müssen, bevor er dann just am (Tat-)Ort enthauptet wurde. Außerdem erfährt der Radler via Infotafeln, warum die Wieslauf an manchen Stellen durch Wehre gestaut wird. Denn auf dem Flüsschen wurde rund 115 Jahre lang Holz geflößt (1746 bis 1861)– und zwar, weil es die adligen Herrschaften in Stuttgart und Ludwigsburg warm haben wollten in ihren Residenzschlössern. Dafür bedurfte es einer ganzen Menge Brennholz für die Paläste. Damit aber in dem seichten und kleinen Flusslauf überhaupt genug Wasser für das Flößen von Feuerholz aus dem Schwäbischen Wald vorhanden war, musste ein Stausee angelegt werden: der Ebnisee.

Und wo sich mittlerweile an warmen Tagen Schwimmer, Angler und Bootfahrer tummeln, gingen einige Jahrhunderte zuvor noch Flößer ihrem harten Handwerk nach. Allerdings nur im Frühjahr und dann auch nur sechs Tage. Denn das Schmelzwasser und der Regen reichten nur für einen kurzen Zeitabschnitt, um Holz auf der Wieslauf bis zur Mündung in die Rems bei Schorndorf zu flößen. Danach wurde der Ebnisee wieder abgelassen. Denn die rund 6,7 Hektar wurden als Wiesen- und Weidefläche benötigt. Als schließlich die Eisenbahn aufkam, war es endgültig aus mit der Flößerei. Für den Ebnisee war zunächst auch Schluss, aber rund 20 Jahre später wurde er erneut angelegt: zum Schutz vor Hochwasser und als Energielieferant für die Mühlen an der Wieslauf – und später dann als Badesee.

Brennholz für die Paläste in Stuttgart und Ludwigsburg

Eine Pause am Ebnisee empfiehlt sich

Für eine Pause auf der Tour eignet sich der Ebnisee sehr gut (www.ebnisee-info.de und www.naturpark-sfw.de), und das nicht nur, weil er bei Kilometer 25 etwa auf halber Strecke liegt – sondern wegen des gastronomischen Angebots, mit dem man seine Krafttanks wieder füllen kann. Wer eine kleine Abkühlung will, kann sie in dem Teich ebenfalls bekommen. Ehe dann auf dem zweiten Abschnitt in Welzheim ein bisschen römische Geschichte wartet.

Ein normales Tourenrad brauche man für die Tour, da nicht die komplette Route asphaltiert sei, rät Schugt. Die Strecke sei auch nichts für Untrainierte. Und sollte sich der ein oder andere überlegen, die Tour mit der Familie (und ohne E-Bike) zu machen: „Kinder sollten auf jeden Fall mindestens zehn Jahre alt sein“, sagt der Vater zweier sportlicher Töchter.