Sicher eine der schönsten Fahrradrouten durch die Streuobstwiesen der Voralblandschaft ist die Strecke von Kirchheim/Teck nach Süßen. Sie ist mit knapp 34 Kilometern nicht allzu lang, und allzu schwer ist sie auch nicht.

Kirchheim - Am besten beginnt man diese Radtour mit einer Pause. Es wäre schade, sich in Kirchheim/Teck (Kreis Esslingen) gleich kilometerhungrig in den Sattel zu schwingen. Stattdessen empfiehlt es sich, am Bahnhof alle Radwegeschilder zu ignorieren und schnurstracks ins Zentrum zu rollen. Denn die malerische Fachwerkkulisse der Innenstadt verführt geradezu, erst noch in einem Straßencafé einen Cappuccino zu trinken, sich dazu vielleicht ein Croissant oder einen Kuchen als Stärkung servieren zu lassen, um sich mental und körperlich auf die kommenden Strapazen vorzubereiten . . .

 

Man kann dort ruhig ein bisschen verhocken, denn die Strapazen halten sich in Grenzen. Die Tour von Kirchheim nach Süßen (Kreis Göppingen) ist mit 34 Kilometern nicht gar zu lang. Auch weniger sportliche Radler schaffen sie vermutlich ohne größere Mühe. Das gilt auch für Familien, falls die Kinder nicht mehr ganz so klein sind, denn die Steigungen sind kurz und bezwingbar – umso mehr, wenn man ein Rad mit Elektromotor unter dem Hintern hat.

Schön für Auge, Nase und Gaumen

Am besten fährt man diese Strecke vermutlich im Frühjahr, wenn die Bäume blühen. Denn sie führt, kaum dass man Kirchheim in Richtung Schlierbach verlassen hat, meist durch die Streuobstwiesen des Voralbgebiets. Wenn im Frühling jeder dieser Apfel-, Birn- und Pflaumenbäume wie ein fetter Blumenstrauß aussieht, muss das ein fantastischer Anblick sein. Eher etwas für die Nase ist die Tour etwas später im Jahr, wenn die Bauern auf den Wiesen Heu machen und man immer wieder würzige Duftschwaden durchpflügt. Im Spätsommer und Frühherbst dann verspricht die Fahrt Freuden für den Gaumen, wenn an all den Bäumen Früchte hängen. Das soll keine Aufforderung zum Äpfelklauen sein, aber wenn man mal einen vom Boden aufliest, wird kein Bauer etwas dagegen haben.

Zumal die Voralbgemeinden die Radler aus der ganzen Region Stuttgart zunehmend als touristische Zielgruppe entdecken, die Geld in die Kassen der Bauern, Gastronomen und Einzelhändler bringen. Und nicht nur für diese, auch für Horst Stammler, den Chef des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS), steckt in der Voralblandschaft mit ihren Wiesen und Pferdeweiden, ihren Feldern und Wäldern noch jede Menge touristisches Potenzial, das längst noch nicht so erschlossen ist, wie er sich das vorstellt: Noch viel mehr Leute sollten aus grauer Städte Mauern hinaus in diese Landschaft fahren, findet er – und natürlich sollten sie das nicht mit dem eigenen Auto tun, sondern mit Bus und Bahn, auf dass seine Firma davon profitiere. Nicht von ungefähr lockt der VVS Radler mit Tourenvorschlägen und Karten-Apps.

Eine Landschafts-Skyline, die ihresgleichen sucht

Aber ganz gleich, ob man das Rad in der S-Bahn mitnimmt oder auf das Autodach klemmt: es lohnt sich. Die Strecke bietet zwar keine spektakulären Sehenswürdigkeiten am Wegrand, doch die Landschaft ist selbst eine: Bei der Fahrt über Hattenhofen, Bad Boll, Dürnau, Eschenbach und Schlat kann man das Auge auf unendlich stellen und findet Halt an einer Skyline am Horizont, die ihresgleichen sucht: Rechter Hand begleitet die Radler stetig die „blaue Mauer“ der Alb, die im Frühsommer allerdings weder blau noch grau ist, sondern sattgrün in der Sonne liegt. Und vor sich haben sie immer wieder aus verschiedenen Perspektiven das Panorama der drei Kaiserberge Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen. So führt die Route von einem grandiosen Ausblick zum nächsten, die oft dazu animieren, spontan zu bremsen, um sich in Ruhe umzusehen oder eine Rast im Schatten eines Baumstückles einzulegen. Und meist kein Auto weit und breit.

Der Weg ist gut ausgeschildert

Man kann sich auf die Schönheit der Landschaft konzentrieren, denn der Weg ist gut ausgeschildert. Und auch wenn die Dörfer, die man durchquert, nicht zu den malerischsten gehören, so findet sich dort doch mancher überraschende Winkel und immer wieder ein liebevoll hergerichtetes Bauernhaus. Und wenn man etwa kurz vom Radweg abbiegt und nach Pliensbach hineinfährt, stößt man auf einen erstaunlichen frei stehenden Glockenturm mitten im Ort. In Bad Boll lohnt es sich, einen Abstecher zum Kurhaus zu machen, vorbei an einem alten Friedhof der Herrnhuter Brüdergemeinde. Und wenn man etwa vom Tal her nach Eschenbach hochblickt, wie es auf einer kleinen Anhöhe vor der Kulisse des Albtraufs thront, oder wenn sich über Süßen vor der Schlussabfahrt der Wald öffnet und den Blick kilometerweit frei gibt, dann genießt man eine Voralblandschaft, wie sie schöner kaum zu finden ist.

Am allerschönsten aber ist bei dieser Tour vielleicht, zumindest für diejenigen, die den Spaßfaktor beim Radfahren nicht in Höhenmetern berechnen, noch etwas ganz anderes: Man hat den Albtrauf stets im Blick, aber man muss nicht hinauf.