Steuobstwiesen, Wald – und ein historischer Turm: den Winnender Teilort Bürg überragt der Rest der mittelalterlichen Burg Altwinnenden.

Rudersberg - Nach zwei Stunden Wegs durch Streuobstwiesen in voller Blüte und ruhigen Forst reckt sich ein trutziger Turm in die Höhe. Den von Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) kommenden Wanderern ist er ein Rätsel, und so fragen sie in dem zu Winnenden gehörenden Weiler Bürg einen Passanten, der seines ansehnlichen Alters wegen ortskundig wirkt, was es denn mit dem Bauwerk auf sich habe.

 

Ja, der Turm, von dem aus habe der Sage nach einst ein unterirdischer Gang bis nach Winnenden hinabgeführt, berichtet der Gewährsmann eifrig, der sich auf einen Gehstock stützt. „Aber jetzt isch do nix meh.“

Einen Überblick über alle Touren gibt die interaktive Karte:

Überraschungen: ein alter Turm und eine Aussichtsterrasse

Das Interesse an dem für die Fremden überraschenden historischen Zeugnis steigt, doch geht man die paar Schritte vom schön gelegenen Bürger Friedhof hinüber zum Turm, ist man zunächst ein wenig enttäuscht. Zwar weist ihn eine Tafel als Rest der im 12. Jahrhundert erbauten und im 16. Jahrhundert von Arbeitern geschleiften Burg Altwinnenden aus, in der auch der Sänger Gottfried von Neuffen vorbeigeschaut haben soll, zugänglich ist der alte Recke dem Wanderer aber nicht, sondern eingemauert in das Hotel-Restaurant Schöne Aussicht. Geht man dem Namen auf den Grund und durchquert das Foyer, entdeckt man eine Terrasse, die das merkwürdige architektonische Ensemble vergessen lässt. Man muss dort rasten und den Durst stillen, denn der Blick etwa auf den Korber Kopf und über Winnenden hinweg ins Neckartal ist famos.

Wer dort rastet, sitzt nicht nur gut, sondern auch unter seinesgleichen. Bei schönem Wetter kann man sich vor allem unter der Woche mit Stuttgarter Wanderern im Pensionsalter über Touren austauschen. Und im Gespräch dann erkennen, dass für Menschen jenseits der 65 beim Ausflug in die Natur der öffentliche Nahverkehr nicht die erste Wahl ist: Weil es mit den Fahrplänen so schwierig sei, setze man auf Rundwege und das Auto, erläutert der Tischnachbar über sein Bier hinweg. Das lehrt uns: hilfreiche Apps von Verkehrsbetrieben erreichen nicht alle.

Von der S-Bahn in das Wiesel

Dabei ist es recht einfach, von Stuttgart bis an den Ausgangspunkt der Wanderung nach Rudersberg zu kommen. Und dazu hübsch, denn die letzten Kilometer von Schorndorf durch das Wieslauftal fährt man nicht mehr in der S-Bahn, sondern auf der alten Bähnlesstrecke in einem dieselbetriebenen Zug, im Volksmund Wiesel genannt, und kommt an schmucken stillgelegten Bahnhöfen vorbei (Takt: stündlich, im Berufsverkehr alle 30 Minuten).

Die anschließende Wanderung, die bis nach Winnenden mit seinem Bahnhof durch Streuobstwiesen und Wälder führt, ist der Baumblüte wegen besonders im Frühjahr zu empfehlen. Und sie stellt keine großen Ansprüche an Orientierungssinn, Muskulatur und Kondition. Die 13,2 Kilometer auf dem Rems-Murr-Wanderweg und dann dem Jakobsweg, auf denen man auch durch die Weiler Königsbronnhof und dem zu Berglen gehörenden Stöckenhof kommt, sind gut ausgeschildert. Und eine nennenswerte Steigung gilt es lediglich zu Beginn zu bewältigen, wenn man nach wenigen Kilometern Streuobstwiese im Wald hinaufsteigt auf die Höhe, die bis Bürg gehalten wird. Die Wanderer können sich somit unbeschwert dem Genuss der Natur und Gesprächen hingeben, sie begleitet bei freier Sicht nach Süden jenseits der Wiesen und der Höhen des Schurwalds Mörikes Blaue Mauer, hin und wieder grüßt der Kegel des Hohenstaufen.

Von Bürg aus geht es dann über Baach hinab in die Kernstadt Winnendens. Man nähert sich ihr entlang des Buchenbachs, nur die letzten paar Hundert Meter bis zum Zentrum ist man wieder Verkehrsteilnehmer – und die Ruhe von Wald und Wiese eine rasch verblassende Erinnerung.