Die Tour funktioniert, der deutsche Radsport verfügt über Perspektive, doch die ARD denkt an einen Ausstieg. Das ist enttäuschend.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Man sollte bei einem Tour-Resümee ja stets Vorsicht walten lassen. Immerhin lehrt die Erfahrung, dass die Enttarnung möglicher Dopingsünder im Peloton bei der Frankreich-Rundfahrt gerne erst Tage nach dem Rennen vonstattengeht. Ein Fazit lässt sich aber dennoch ziehen. So lag der Startort der Ehrenrunde auf den Champs-Élysées am Sonntag in Chantilly, was auf Deutsch „Schlagsahne“ bedeutet. Erste Sahne war das Rennen zwar nicht in allen Belangen: Da fehlte vor allem das große Duell um das Gelbe Trikot, weil ein Chris Froome allein eben noch keinen Radsport-Sommer macht.

 

Starke Akzente hat die Tour aber trotzdem gesetzt: Etwa mit der Joggingeinlage des Maillot Jaune am Mont Ventoux, eine Szene, die in die Geschichte des Rennens eingehen wird. Es siegten gleichsam schnelle wie amüsante, weil positiv verrückte Charaktere wie der Slowake Peter Sagan und der viermalige Etappengewinner Mark Cavendish von der Isle of Man. Die Tour lieferte herrliche Landschaftsbilder – und sie gab nach dem Attentat von Nizza ein starkes Bild ab, weil man glaubhaft mitfühlte, aber trauernd nach vorne schaute.

Eine gute Zukunftsprognose besitzt der deutsche Radsport. Der Scherbenhaufen nach der T-Mobile-Tragödie ist zusammengekehrt, erste hoffnungsvolle Grundstrukturen gibt es. Dass das Level des Vorjahres mit sechs Etappensiegen diesmal bei Weitem nicht erreicht wurde, zeigt aber, dass der nationale Profiradsport noch ein wackeliges Konstrukt ist.

Vor allem aufgeräumte, durchaus glaubhafte Fahrertypen wie John Degenkolb, Simon Geschke, Tony Martin oder Marcel Kittel machen Mut. In Emanuel Buchmann wächst zudem ein echtes Rundfahrt-Talent heran. Dass vor diesem Hintergrund bei der ARD erneut ein Ausstieg aus der Tour, dieses Mal aufgrund einer TV-Einschaltquote von durchschnittlich „nur“ einer Million Menschen, zumindest andiskutiert wird, ist eine enttäuschende Tatsache. Klebte nicht einst das Logo des Ersten am Trikot von Jan Ullrich, Erik Zabel und Co? Deutschlands Fernsehmacher täten also äußerst gut daran, der neuen Generation die Treue zu halten. Wie bei einer kernigen Bergetappe ist hier Ausdauer gefragt. Paris -